Der S-Bahn-Bau in Obertshausen

Eine fast unendliche Geschichte
von Thomas Holzamer

In der Chronik der Stadt Obertshausen berichtet der Heimat- und Geschichtsverein (HGV) über viele einstige Orte, zählt Fakten aus der Vergangenheit auf und sammelt interessante Anekdoten. In unserer Serie „Obertshausen einst“ reisen wir gemeinsam mit den Heimatforschern zurück – in dieser Ausgabe in die Zeit des S-Bahn-Baus.

Obertshausen – Es war der 13. Dezember 2003, als endlich die erste S-Bahn in den Bahnhof Obertshausen einfuhr, berichtet die Chronik der Stadt. Ihre Geschichte reicht jedoch rund vier Jahrzehnte weiter zurück – bis ins Jahr 1965. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte es in der damaligen Bundesbahndirektion in Frankfurt Planungen für den Bau einer „S-Bahn Rhein-Main“ gegeben. Diese waren im Fall der damaligen Gemeinde Obertshausen mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße verknüpft und der geplanten Erweiterung der Bundesstraße 448, um der schwierigen Verkehrssituation durch den Individualverkehr zu begegnen. Letztere führte ab 1976 auf einer nach Norden verlegten Trasse zweibahnig bis zur Gathof-Kreuzung, dem Schnittpunkt mit der heutigen Schönbornstraße zwischen Hausen und Obertshausen.

Doch sollten vor bis zur tatsächlichen Unterzeichnung des „Jahrhundertvertrags“ für den Bau der S-Bahn Ende des Jahres 1986 noch viele Jahre der Diskussion und Meinungsverschiedenheiten zwischen allen Beteiligten – der Bundesbahn, dem Land Hessen, dem Landkreis Offenbach und nicht zuletzt den kommunalpolitisch Verantwortlichen sowie den Anwohnern – ins Land ziehen.

Auch für den Kommunalwahlkampf mussten S-Bahn und die Verkehrsmisere in der Kleinstadt in dieser Zeit herhalten, vermerkt die Chronik. So lautete etwa der SPD-Slogan 1985 „30 Jahre CDU und noch immer ist die Schranke zu“, vier Jahre später klebten die Christdemokraten einen Tag vor der Wahl den Spruch „Grün und Rot – Umgehung tot“ auf ihre Plakate.

Auch nach der Unterzeichnung des Vertrags kam es immer wieder zu Verzögerungen bei der Realisierung des ehrgeizigen Projekts. Diese habe vor allem die Bundesbahn zu verantworten gehabt, was schließlich im August 1991 gar zur Gründung der Bürgerinitiative „Schnellbahn Rodgau jetzt“ führte, die auch in Obertshausen auf lebhaftes Interesse stieß. Neben der von der Bahn favorisierten Tunnel-Lösung wurden nun die unterschiedlichsten Realisierungsmodelle diskutiert, heißt es in der Chronik. Von S-Bahn auf Stelzen, in einem Trog tiefergelegt bis zur Idee, die Bahnhofstraße über eine Brücke im Ort über die Schienen zu führen. Auch unter den Parteien war man sich nicht einig: Die SPD wollte einen zweiten beschrankten Bahnübergang, die Grünen den bisherigen Bahnübergang erhalten. Denn letzterer sorgte mit seinen mehrmals in der Stunde geschlossenen Schranken als Nadelöhr regelmäßig für lange Staus im Stadtverkehr. Dadurch, so die Sicht der Grünen, würde die Ortsdurchfahrt für Autofahrer unattraktiv und ein Ausweichen auf die – damals noch nicht vorhandene – Ortsumgehung quasi „erzwungen“. Die FDP brachte erneut eine bereits früher diskutierte Verlagerung der Bahnstrecke zur B 448 ins Gespräch – was sowohl Bahn als auch Stadt wegen der nicht zu stemmenden Kosten ablehnten. Im Februar 1992 stimmten die 19 Abgeordneten der CDU für die Tunnel-Lösung“ – gegen die Stimmen der Opposition.

Unmut gab es jedoch auch von Bürgerseite. So berichtet die Chronik von einer Bürgerversammlung im Mai 1992, bei der die Emotionen hochgekocht seien. Zwar habe es in der Bevölkerung eine generelle Zustimmung zum S-Bahn-Anschluss und die Hoffnung auf eine Lösung des Problems mit dem Durchgangsverkehr gegeben, künftige S-Bahn-Anlieger befürchteten jedoch starke Lärmbelastungen durch deren Betrieb. Ebenfalls im Mai, berichtet die Chronik, habe die Bundesbahn ihrerseits die Vorteile der Planungen aufgezeigt und auch über den geplanten Umbau des bisherigen Bahnhofs Obertshausen in eine „moderne zweigleisige S-Bahn-Station mit mittig liegendem 210 Meter langem Bahnsteig und teilweiser Überdachung“ informiert.

„Die Bauphase hätte jetzt eigentlich ihren geplanten Verlauf nehmen können“, heißt es in der Chronik, „doch ein weiterer Knall folgte schon bald. Im Juni 1994 machte Bürgermeister Josef Seib in einer Presseerklärung seinem Ärger Luft: Die Bahn hatte nämlich kürzlich – und damit sehr spät im Planungsverfahren – beschlossen, die S-Bahn-Strecke ab Obertshausen zugunsten eines verdichteten Zeittakts von 15 Minuten jetzt doch zweigleisig zu führen“. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch das auf Eingleisigkeit ausgelegte Brückenbauwerk der künftigen Umgehungsstraße L 3117 bereits fast fertig. Eine veränderte Gleisführung machte schließlich den Erhalt der neuen Brücke möglich, was der Stadt befürchtete Mehrkosten ersparte. Die Umgehungsstraße wurde drei Monate später eröffnet und nur drei Wochen danach begann mit dem offiziellen Spatenstich am Obertshausener Bahnhof der Bau der S-Bahn-Strecke. Deren Inbetriebnahme, ursprünglich für das Jahr 1997 geplant, sollte wegen weiterer Verzögerungen jedoch erst Ende 2003 folgen.

Wer selbst auf Zeitreise durch die Geschichte der Stadt gehen möchte, kann dies mit der Chronik „Obertshausen – Eine Zeitreise durch unsere Heimat“ tun. Sie ist im lokalen Buchhandel sowie per Mail an vorstand@hgv-obertshausen.de erhältlich.

Stau am Bahnübergang. Die alte Brühlstraße kurz vor dem Baubeginn im Mai 1994

Erster Spatenstich am 23. September 1994 mit Bürgermeister Josef Seib am Rednerpult.

Die Brücke der neuen Umgehungsstraße. Hier war ursprünglich nur ein eingleisiger Verlauf der S-Bahnstrecke vorgesehen. Deswegen musste das zweite Gleis verschwenkt werden.