Das Jahrhundertbauwerk wirf seine Schatten voraus

Obertshausen einst: Der Bahnhof in Obertshausen – Teil 3

von Fabian Bleisinger

Inzwischen war klar, dass aus der Fahrt der ersten S-Bahn im Jahr 1997 nichts werden sollte. Immerhin können im Dezember 1996, kurz vor Weihnachten, wichtige Straßenbauprojekte, nämlich der Fly-Over über den Tannenmühlkreisel und der direkte Autobahnanschluss, eröffnet werden – mit positivem Einfluss auf die Verkehrslage für Obertshausen. Landrat Josef Lach wertete den Fly-Over sogar als „eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für den gesamten Ostkreis und als aktive Wirtschaftsförderung für die Städte Obertshausen und Rodgau“.

Allerdings war Obertshausen die ersten Kommune, in der die Baumaßnahmen für die neue S-Bahnstreck in den Rodgau ihren Anfang nahmen. Dem eher symbolischen ersten Spatenstich am 23. September 1994 folgte ein Jahr später in der Bahnhofstraße der Abriss einiger Gebäude, um für den neue Omega-Tunnel den nötigen Platz zu schaffen.

Bereits Anfang 1998 ist der Omega-Tunnel und „die neue Ortsmitte“ samt Busbahnhof völlig überraschend fertiggestellt – allerdings nur als Modell im Maßstab 1:200. 350 Arbeitsstunden investierte Hartmut Mittelhammer, Mitarbeiter des Bauamts Obertshausen, um den Bürgern einen Miniatureindruck des „Jahrhundertwerks“ zu vermitteln. Projektleiter Hubert Reimann von der Deutschen Bahn AG (so firmierte die alte Bundesbahn nach der Fusion mit der Deutschen Reichsbahn 1994) und Bürgermeister Josef Seib verkünden bei einer Pressekonferenz im Januar 1998: „Im Jahr 2001 soll die Bahn zwischen Rodgau über Obertshausen nach Frankfurt fahren.“ Inzwischen werden die Kosten der zweigleisigen Bahnstrecke und der Ingenieurbauwerke, der separaten Fuß- und Radwegunterführung einschließlich Grunderwerbs- und Planungskosten auf rund 68 Millionen Mark taxiert – von denen Obertshausen dank Bezuschussung letztlich 5,2 Millionen DM (2,6 Mio. Euro) zahlen soll, in denen auch 600.000 DM (rund 307.000 Euro) für die „Überdeckelung“ der Omega-Unterführung enthalten sind. Insgesamt trägt der Bund 60 Prozent, das Land Hessen 27,5 Prozent und die kommunalen Gebietskörperschaften 12,5 Prozent, von denen der Kreis Offenbach 6,75 Prozent übernimmt. Den Rest tragen die Kommunen.

Im März 1999 lautet die Schlagzeile der örtlichen Presse „Das OMEGA wird sichtbar“ und beschreibt den aktuellen Stand der Baustelle: Die Abdeckung der Unterführung auf der Ostseite ist fertiggestellt, sodass darauf die Gleise verlegt werden können, und auch die weiteren Arbeiten laufen nach Plan. Auch kostenmäßig sei man im Rahmen, etwa die Hälfte der rund 24 Millionen Mark, die für die Arbeiten in Obertshausen veranschlagt sind, habe man bisher „verbaut“. Während in Obertshausen also alles nach Plan verläuft, sind die Nachbarn noch nicht so weit: Heusenstamm, Dietzenbach und Rodgau stecken teilweise noch in der Planung fest. Jetzt ist von Fertigstellung der Strecke im Jahr 2002 die Rede – und die S-Bahn soll zum Fahrplanwechsel im Mai 2003 den Regelbetrieb aufnehmen.

Ein Meilenstein ist dann schließlich die Freigabe des Omega-Tunnels für den Verkehr. Am 6. November 2000 durchschneiden u. a. Erster Stadtrat Hubert Gerhards, Stadtverordnetenvorsteherin Hildegard Bühl, der (insgesamt fünfte) DB-Projektleiter Winfried Kranz und Bürgermeister Josef Seib das Band und geben den Omega-Tunnel für den Verkehr frei – zunächst einmal nur in S-Form, denn der Anschluss der Unterführung auf der Westseite wird erst zum 2. Dezember 2000 fertiggestellt.

Die feierliche Einweihung unter Anwesenheit der lokalen Amts- und Würdenträger findet dann am 18. Mai 2001 statt. Das nun mit rund 37 Millionen DM (rund 18,9 Mio. Euro) doch deutlich teurere Mammutprojekt erhält auch seinen Segen durch den katholischen Pfarrer Norbert Hofmann und den evangelischen Amtskollegen Matthias Laubvogel.

Im Jahr 2002 werden dann die Gleisarbeiten über dem Omega-Tunnel fertiggestellt. Auch die endgültige Inbetriebnahme der neuen Bahnstrecke, die Fertigstellung der Haltepunkte und Bahnhöfe, Testfahrten und der Probebetrieb nehmen ihre Zeit in Anspruch.

Eröffnung der S-Bahn-Strecke

Endlich, am 13. Dezember 2003 – also fast 40 Jahre, nachdem im Jahr 1965 die damalige Bundesbahndirektion Frankfurt die ersten Konzepte für ein S-Bahn-System für den Ballungsraum Rhein-Main erarbeitet hatte, 17 Jahre nach Unterzeichnung des „Jahrhundertvertrages“ zum S-Bahn-Ausbau und fast zwölf Jahre nach dem Votum der Stadtverordneten für den Bau des Omega-Tunnels – war es soweit und Obertshausen konnte die erste S-Bahn der neuen Linie S1 in der Stadt willkommen heißen. An Bord waren u.a. der hessische Verkehrsminister Alois Rhiel und Landrat Peter Walter. „Seit Samstag fährt die S-Bahn“ titelte die örtliche Presse in der darauffolgenden Ausgabe am 18. Dezember 2003 und stellte fest, dass sich die angebotenen Gratisfahrten auf der Strecke großer Beliebtheit erfreuten, im Gegensatz zum zeitgleich auf dem Meininger Platz und der Park-&-Ride-Anlage statt- findenden Weihnachtsmarkt. Der Grund war hier allerdings vor allem der strömende Regen.

Übrigens: Bis heute ist die S1 von Wiesbaden nach Rödermark-Ober-Roden mit 72,98 Kilometern die längste S-Bahn- Strecke im gesamten RMV.


Brühlstraße- Bahnhofstraße und Bahnübergang kurz vor dem Baubeginn des Omega-Tunnels im Mai 1998

Beginn der Bauarbeiten für den Omega-Tunnel, Juli 1998. Wasser war an dieser Stelle schon immer ein Thema.

Einfahrt des alten Rodgau-Express in die Großbaustelle, September 1998. Während der gesamten Bauzeit wurde der Zugverkehr aufrechterhalten.

Das Jahrhundertbauwerk erfordert eine Jahrhundertbaustelle: Großbaustelle Omega-Tunnel im November 1998