Obertshausen einst: Hausen, der Zweimühlenort

Die Chronik der Stadt Obertshausen

von Fabian Bleisinger

Eine Besonderheit Hausens unter den Nachbargemeinden war lange die Tatsache, dass im Ort gleich zwei Mühlen betrieben wurden. Leider sind die historischen Gebäude seit dem letzten Jahrzehnt endgültig Geschichte, denn sie wurden inzwischen abgerissen und durch moderne Wohngebäude ersetzt.

Die Chronik „Unser Obertshausen“ weiß folgendes zu berichten: „Das Mühlenwesen entwickelte sich in Hausen möglicherweise schon im 12. Jahrhundert; die ältere der Hausener Mühlen, die Untermühle, wurde im Jahre 1352 erstmals urkundlich erwähnt, und zwar anlässlich des Verkaufs durch einen Kraft von Langsdorf, Vogt zu Steinheim, an das Kloster Seligenstadt.“ Für das Mühlenhandwerk war die Lage an einem fließenden Gewässer die Voraussetzung. Die Untermühle lag an der Rodau – unweit des „Breiten Stegs“ hinter der Lämmerspieler Straße in Hausen. Auf alten Karten sieht man ihre Lage außerhalb des bebauten Gebiets. Die zweite Mühle existierte ab dem 15. Jahrhundert – und das mitten im Ort. Der Name „Mühlstraße“ erinnert noch heute an die Lage dieser jüngeren Mühle. Ihr Betrieb war erst möglich geworden, nachdem der Lauf der Rodau künstlich nach Westen verlegt wurde. Die Verlegung des Rodaulaufs ist seit 1498 beurkundet.

Die Mühlen waren, wie es bis zum Ende der Leibeigenschaft in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts üblich war, im Besitz des jeweiligen Grundherren, der die Nutzungs- und Besitzrechte im Erblehen an einen Müller vergab. Das bedeutete, dass die Mühle in einer Familie über mehrere Generationen verbleiben und betrieben werden konnte. Dafür war ein Pachtzins zu errichten, und sollte der Beständer, also der Nutzer der Mühle, diesen für drei Jahre in Folge schuldig bleiben, konnte der Grundbesitzer die Besitzrechte vom Pächter einziehen und an einen anderen neu vergeben.

So wechselten auch die Hausener Mühlen im Laufe der Jahrhunderte mehrfach den Beständer. In der Chronik heißt es dazu: „Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges ist eine Familie Arnold als Nutzer der Untermühle nachweisbar. In Händen dieser Müllerfamilie lagen die Mühlenrechte bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Durch Einheirat in die Familie Arnold wurde ein gewisser Johann Messer Untermüller und die Familie Messer betrieb die Untermühle bis in das Jahr 1850. Offensichtlich verrichteten die Messermüller ihr Handwerk gut, denn auf den Familiennamen Messer geht die inoffizielle Bezeichnung der Untermühle als „Messermühle“ zurück.“ Die nachfolgenden Betreiber der Untermühle sind Johann Becker, Peter Bröder, Martin Schmierle und die Familie Ricker aus Weiskirchen. Der letzte Untermüller Peter Anton Schilp gelangt durch Heirat in den Besitz der Mühlenrechte. Mit ihm kam auch das Ende der Untermühle, die seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr in Betrieb ist. Bis zu ihrem Abriss Anfang der 2000er Jahre war die Untermühle das vermutlich älteste Gebäude in Hausen.

Für die Obermühle sind ebenfalls etliche Besitzerwechsel nachweisbar: Nikolaus Winter (nach

dem Dreißigjährigen Krieg), Vater und Sohn Andreas Guldan, Vater und Sohn Johann Martin Komo (ab ca. 1750), Peter Komo, der Frankfurter Müller Johann Kasper Ziegler (ab 1835), Adam Sattler, Johann Graf, Georg Burlein, Ernst Pfalzgraf und Michael Mahler. Im Jahre 1853 gelangte sie schließlich in den Besitz der Firma Spicharz und Nollenberg, unter deren Regie in Offenbach eine Gerberei betrieben wurde. Den Wünschen der neuen Besitzer entsprechend wurde auch der Verwendungszweck der Obermühle geändert und sie wurde in eine Lohmühle umgewandelt. Aus Eichenrinde wurde der für den Vorgang des Ledergerbens notwendige Anteil an Lohe gemahlen. Die Obermühle wurde nach dem Zweiten Weltkrieg sogar noch auf elektrischen Betrieb umgerüstet. Sie wurde schließlich bis ins Jahr 1958 betrieben. Danach hat die Gemeinde Hausen die Wasserrechte für die Mühle abgelöst, weil die Rodau hinter das Werksgelände der YMOS AG in ihren heutigen Lauf verlegt wurde.

Fotos der Mühlen und anderer Gebäude, alte Stadtansichten und etliche Geschichten aus der Geschichte von Hausen und Obertshausen bietet die zweite Auflage der 336 Seiten starken Chronik, die mit mehr als 400 Abbildungen und Grafiken anschaulich bebildert ist. Sie ist in Obertshausen beim BücherTreff, in Hausen bei der Buchhandlung Henzler, bei Hoffmann-schreiben-spielen-schenken und beim Jäger-KFZ-Service (ARAL) sowie im Werkstattmuseum „Karl-Mayer-Haus“ erhältlich.


Die Untermühle in Hausen (Aufnahme vor 1914). Auf dem Foto ist der letzte Untermüller Peter Anton Schilp zu sehen.


Die Untermühle in Hausen vor ihrem Abriss im Jahr 2000. Das Wohngebäude, das danach hier errichtet wurde, erinnert in der äußeren Form an die historische Mühle.


Die „Breite Steg“ über die Rodau. Am rechten Bildrand ist die Untermühle zu sehen.


Die Obermühle, als sie noch in Betrieb war. Die Abbildung stammt von einer alten Postkarte und ist leider nicht datiert.


Die Obermühle in der Mühlstraße in den 2000er Jahren. Hier steht heute ein modernes Mehrfamilienhaus.