Heimat- und Geschichtsverein hat zweimal Grund zum Feiern

30. Geburtstag und 25 Jahre Werkstattmuseum Karl-Mayer-Haus

 

Anlässlich der Jubliäumsfeier des Heimat- und Geschichtsvereins waren die Sitzreihen im Werkstattmuseum gut gefüllt. © m

Anlässlich der Jubliäumsfeier des Heimat- und Geschichtsvereins waren die Sitzreihen im Werkstattmuseum gut gefüllt. © m

 

Obertshausen – Der Heimat- und Geschichtsverein (HGV) feierte am „Tag der Deutschen Einheit“ gleich zwei Geburtstage mit Rückblicken und Ehrungen: Vor 30 Jahren gründete sich die Gemeinschaft, vor einem Vierteljahrhundert weihte sie das Karl-Mayer-Haus als Heimat- und Werkstattmuseum ein. Von Michael Prochnow

Armin Paul, der neue Vorsitzende des HGV, erinnerte an den Magistratsbeamten Otto Lechens, der sich für die Einrichtung von Verein und Museum stark gemacht hat. Im August 1987 wählten ihn 39 Mitstreiter im Rathaus Beethovenstraße zum ersten Vorsitzenden. Seit 1978 waren dort zwei Ausstellungsräume ausgestattet, „ein Provisorium, das schon in Vergessenheit geriet“, berichtete Paul. Lechens war es eine Herzensangelegenheit, das Geschichtsbewusstsein zu fördern. Doch er verstarb bereits ein Jahr nach der Vereinsgründung.

Das alte Schulgebäude aus dem Jahre 1881 in der Waldstraße 1 sollte zum Museum umgebaut werden, doch bei der Renovierung stürzte ein Teil ein, der Wiederaufbau wäre unrentabel gewesen. Der Abbruch hatte noch nicht begonnen, da übereignete der Fabrikant und Ehrenbürger Karl Mayer der Stadt sein Geburtshaus mit der Maßgabe, es als Museum zu nutzen, um die Würde des Hauses zu wahren.

Der Mühlheimer Architekt Gerhard Marx stellte am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung, sein Konzept im Hof vor. 1992 wurde das Karl-Mayer-Haus eingeweiht. Um das Interesse der Bevölkerung immer wieder aufs Neue zu gewinnen, wurde es als Werkstattmuseum realisiert, was Aktivitäten und eine ständige Neugestaltung, aber auch ein Stück Heimat vorsieht.

Heute umfasst der Komplex einen Saal in der ehemaligen Scheune, Räume, die sich mit der Burg im Hain, mit dem Naturschutzgebiet Hengster und der Fertigung von Lederwaren beschäftigen. Dazu ist auch eine komplette Babbscher-Werkstatt eingerichtet. Andere Zimmer wie der Seitenbau sind den Wirkmaschinen Karl Mayers und der Deutschen Spitzengilde gewidmet. Zwischen- und Obergeschoss sind Wechselausstellungen vorbehalten.

Weil der einstige Vorsitzende, Professor Klaus Werner, erkrankt war, sprang Dr. Manuela Baumgart in die Bresche – wie schon oft in ihren 14 Jahren als stellvertretende Vorsitzende. Sie erinnerte sich an „Reste der Animositäten“, als ein Mitglied aus Hausen nicht zu einem Treffen nach Obertshausen kommen wollte, „Frankfurt ginge“. Kompromiss war das „Niemandsland“ der Waldkirche.

Als erste haben die Vertreter der Kirchen „mit großem Stolz“ ihre Vitrinen ausgestattet, so mit einem Messgewand aus dem 18. Jahrhundert und einem Evangeliar, das noch 100 Jahre älter ist. Die Gruppe schuf mit gregorianischen Gesängen und Weihrauchduft „multisensorische Erlebnisse“. Und das seien die Leitmotive des Vereins: „Historie erlebbar, anfassbar, nahbar zu machen“.

Die Deutsche Spitzengilde um Leiterin Gudrun Borck präsentiere stets im Januar kostbare und seltene Kunstwerke von echten Könnerinnen aus halb Europa. In der aktiven AG Leder zeigen Feintäschnermeister – „echte Experten und Künstler einer aussterbenden Zunft“ – ihr Handwerk. Für ihre Darstellung errangen die Männer auch den Kulturpreis des Kreises Offenbach. Mit Werken vertreten ist auch der heimische Bildhauer Christoph Schindler. Vorträge werden auch in Kooperation mit dem Heimat- und Geschichtsverein Heusenstamm gehalten. Zu den festen Veranstaltungen zählen zudem der Jazz-Frühschoppen, „Lyrik einmal anders“ und das Museumscafé.

In den Augen von Bürgermeister Roger Winter ist die Arbeit bereichernd. Sie schließe Bildungslücken und frische Erinnerungen auf. Zu den Zielen des Vereins zähle auch, Liebe und Verbundenheit zur Heimat zu fördern. „Das haben sie gut hinbekommen“, befand der Rathauschef, „immerhin gibt es keine handgreiflichen Auseinandersetzungen mehr wie früher an der Gathofkreuzung, wenn sich Mädchen aus Obertshausen mit Hausener Buben getroffen haben“. Wichtig sei, dass die Ortschronik auch seit dem Zusammenschluss fortgeschrieben wird.

„Heimat war jahrelang kein guter Begriff“, erinnerte Winter. „Aber Menschen brauchen Sicherheit, Geborgenheit, Perspektiven.“ Der HGV bereichere das Kulturleben, die Ausstellungen geben Einblicke in lokale Welten. Ein „Herzenswunsch“ Winters an den aktuellen Vorstand seien historische Spaziergänge durch die Stadt. Infos gibt’s unter hgv-obertshausen.de.