17. Oktober 2021

O10 Bahnhof

O10 Bahnhof Obertshausen – Von der Nebenstrecke zum modernen S-Bahn-Halt

Von den ersten Planungen bei der Deutschen Bundesbahn bis zur Aufnahme des Regelbetriebs der heutigen S-Bahnlinie S1 sollten fast 40 Jahre ins Land gehen. Wie auch der Obertshausener Bürgermeister Bernd Roth bei der Begrüßung der ersten S-Bahn in Obertshausen im Dezember 2003 feststellte, wurde endlich gut, was lange währte. Heute ist der S-Bahn-Anschluss aus der Stadt nicht mehr wegzudenken – doch der Weg dahin war lang und mit vielen emotional geführten Auseinandersetzungen gepflastert.

Die S-Bahn hat einen Vorläufer: Die Nebenbahnstrecke Offenbach-Dieburg-Reinheim

Eine Bahnlinie samt Bahnhof und den notwendigen Bahnübergängen gab es in Obertshausen schon vor der Inbetriebnahme der S-Bahn. Die Vorarbeiten zum Bau einer „Secundärbahn durch den Rodgau“ fanden im Jahr 1881 statt. Der Geländeabtretung für die zu bauende Bahnlinie stimmte der Obertshausener Gemeinderat im Juni 1886 zu, im Dezember 1894 wurde der Wald abgeholzt. Ein Jahr später entstand der Obertshausener Bahnhof, am 1. Oktober 1896 konnte die fertige Nebenstrecke Offenbach–Dieburg–Reinheim schließlich in Betrieb genommen werden. Von da an war Obertshausen ans deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen.

 

Obertshausen Bahnübergang Bahnhofstr Richtung Obertshausen, alte Nikolaus-Kirche um 1900

Für die in Offenbach arbeitende Bevölkerung war die neue Bahnlinie ein wahrer Segen. Wo vorher die Strecke zu den Arbeitsplätzen der Offenbacher Industrie nur mühsam zu Fuß oder per Fahrrad bewältigt werden musste, konnte nun der wesentlich schnellere und komfortablere Zug genutzt werden. Aus diesem Grund begaben sich nun sogar viele Hausener morgens zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof nach Obertshausen.

Die durch die neue Bahnlinie nun stärker wachsende Bevölkerung gewöhnte sich schnell an die „dampfenden Stahlrösser“, doch der Fortschritt forderte auch seine Opfer. Das zeigt sehr deutlich eine Bekanntmachung des Großherzoglichen Kreisamtes in Offenbach vom 11. August 1910: „Wie die Königlich Preußische und Großherzoglich Hessische Eisenbahndirektion Mainz mitteilt, ist die Zahl der auf den Nebenbahnen ihres Bezirks überfahrenen Fuhrwerke im letzten Jahr größer gewesen als im Vorjahre. Außerdem sind noch eine Anzahl Fälle vorgekommen, in denen nur durch ganz besondere Aufmerksamkeit der Lokomotivführer ein Überfahren von Fuhrwerken verhütet worden ist. Die meisten Unfälle sind dadurch entstanden, dass die Wagenführer entweder versuchen, noch vor dem Zuge, dessen Geschwindigkeit sie unterschätzten, über den Überweg zu kommen oder dass sie, wenn sie nicht geschlafen haben, mit Begleitern plaudernd oder im Planwagen sitzend, sich überhaupt nicht darum gekümmert haben, ob sich dem Überwege ein Zug näherte.“

Bahnhof Obertshausen um 1912

Bahnhof Obertshausen und neue Herz Jesu Kirche um 1912

Nicht zuletzt auf Grund der häufigen und nicht selten auch tödlichen Unfälle wurden im Jahre 1914 Schranken an den Bahnübergang angebracht und wenig später auf dem Bahnhof Obertshausen die Petroleum-Leuchten durch wesentlich hellere Gaslaternen ersetzt. Der Fußgängerübergang beim Sägewerk Becker entstand 1951, die Firma Karl Mayer erhielt 1959 einen Privatgleisanschluss. Im Jahr 1970 wurde der Obertshausener Bahnhof auf Grund von Veränderungen bzw. Konzentrationen im Stückgutverkehr der Deutschen Bundesbahn renoviert und erweitert. Die Flachbauten zu beiden Seiten des Hauptgebäudes erhielten je einen Anbau. Im Zuge der Modernisierung der Schrankenanlage verschwand 1974/1975 das Schrankenwärterhäuschen, die Gleisanlagen wurden erweitert sowie eine vollautomatische Vollschranke mit Blinkanlage angebracht.

Aufgrund von diversen Klagen und Protesten wurde die Bahnlinie Offenbach-Bieber–Obertshausen–Oberroden–Dieburg zu Beginn des Jahres 1978 wieder aus dem Einsparungsprogramm „Stilllegung von Bahnnebenstrecken“ der Deutschen Bundesbahn herausgenommen.

Bahnhof mit Schienenbus in den 1970er Jahren

Bahnhof mit Schienenbus in den 1970er Jahren, sie fuhren bis 1981

Frühe Planungen zur S-Bahn

Bereits ab etwa 1965 gab es in der damaligen Bundesbahndirektion in Frankfurt am Main Planungen für ein S-Bahn-Netz für das Rhein-Main-Gebiet. Die Planungen waren regional für Obertshausen mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße verknüpft, um der schwierigen Verkehrssituation durch den Individualverkehr Herr zu werden, sowie mit den Planungen des Ausbaus der Bundesstraße B 448. Letztere führte ab 1976 auf einer nach Norden verlegten Trasse zweibahnig bis zur Gathof-Kreuzung, dem Schnittpunkt mit der heutige Schönbornstraße von Hausen nach Obertshausen.

Spätestens ab 1967 wurde im Zuge des Ausbaus der B 448 eine „Verlegung der Bahnlinie parallel zur vorgesehenen Trasse dieser Bundesstraße“ sowie die damit verbundene Verlagerung des Obertshausener Bahnhofes erörtert. Es erfolgte einige Jahre später offensichtlich auch ein entsprechender Entschluss der Bundesbahn. Gerade die Gemeinde Hausen hatte im Hinblick auf das geplante Wohn- und Einkaufszentrum große Hoffnungen in die Einrichtung eines Bahnhofes „im künftigen Ortszentrum der neuen Großgemeinde“ gesetzt und war seitens der Bundesbahn in diesem Glauben wohl auch bestärkt worden. Selbst im Bebauungsplan für das Wohn- und Einkaufszentrum waren die Trasse und der Bahnhof bereits ausgewiesen.

Wie wir heute wissen, kam dann aber alles ganz anders, denn die Gleise blieben da, wo sie auch vorher schon waren. Zu weiteren Verzögerungen kam es aber trotzdem, denn es wurde nun jahrelang darüber diskutiert, wie die neue S-Bahn die Hauptstraße queren soll. Die S-Bahn in einem Trog unter der Straße hindurch, die Straße in einem Tunnel unter der S-Bahn, ein bzw. mehrere ebenerdige Bahnübergänge, was von der Bundesbahn abgelehnt wurde. Damit verbunden war auch die Diskussion über den Verlauf der zukünftigen Umgehungsstraße.

Bahnhof mit Warteraum (links), Mai 1994

Brühlstraße Bahnhof mit Warteraum links Güterabfertigungshallen rechts Mai 1994

So kann es dazu, dass erst nachdem die Umgehungsstraße am 5. September 1994 eröffnet wurde, der Bau der S-Bahn-Strecke beginnen konnte. Das Jahrhundertbauwerk Omega-Tunnel, aber auch die notwendigen Arbeiten in den weiteren Anrainergemeinden brauchte noch reichlich Zeit. Erst fast zehn Jahre später, am 13. Dezember 2003, konnte die S-Bahn ihren Betrieb endlich aufnehmen. Das alte Bahnhofsgebäude wurde für die S-Bahn nicht mehr benötigt. In ihm findet sich nun ein Café mit einer sehr gelungenen Inneneinrichtung, die an den alten Bahnhof erinnern soll.

Die ganze Geschichte der weiteren Planungen und der Bau bis zur S-Bahn-Eröffnung, kann in der Stadt-Chronik „Unser Obertshausen“ nachgelesen werden. Weitere Informationen sind auch auf der Homepage des Heimat- und Geschichtsvereins unter den Beiträgen zur Ortsgeschichte abrufbar:

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