7. März 2022

O01 – Ecke Wilhelmstraße, Kirchstraße

O01 – Ecke Wilhelm-Kirchstraße

Die heutigen Stadtteile Hausen und Obertshausen blicken auf eine gut 1200-jährige Geschichte zurück. Beide Dörfer sind fränkische Siedlungen, die in der Zeit der großen karolingischen Rodungsperiode (686-814) entstehen. Die zweite Besiedlungswelle bringt im 8. und 9. Jahrhundert schließlich Orte mit den „-hausen“-Namen hervor. Deshalb können wir in dieser Periode auch die Ursprünge unserer Heimatstadt vermuten.

Aus dem Zinsregister der nahegelegenen Abtei Seligenstadt, dessen Alter auf die zweite Hälfte des neunten Jahrhunderts geschätzt wird, geht erstmals der Name „Obertshausen“ hervor. Wörtlich heißt es dort: „de oberoldeshuson Bernhard 12 d“.
Offensichtlich ist ein Bauer namens Bernhard – der ein Hofwerk in Obertshausen bewirtschaftet – zu einer Zinsabgabe von 12 Denaren an die Abtei Seligenstadt verpflichtet.

In der Folgezeit sind Obertshausen als auch Hausen wechselnde Herrschaften beschieden. Die beiden Dörfer durchleben dabei eine fast parallele Entwicklung. So geht nach den Herren von Hausen und Hainhausen vermutlich im Jahr 1185 der gesamte Besitz in die Hände der Herren von Eppstein über. Im Jahre 1425 wird dann das Amt Steinheim, zu dem auch Obertshausen gehört, an das Kurfürstentum Mainz verkauft.

Im 30-jährigen Krieg ziehen Landknechte plündernd und brandschatzend durch die Gegend. 1636 kommt zu allem Unglück auch noch der Ausbruch der Pest hinzu, so dass nach den Aufzeichnungen dieser Jahre Obertshausen noch 20 Einwohner zählt.

Infolge der Türkenkriege und einer Hungersnot benötigt das Mainzer Erzstift dringend Geld. So verkauft man im Jahr 1664 die beiden Orte Obertshausen und Hausen für 9000 Gulden an den Grafen Philipp Erwein von Schönborn, der bereits einige Jahre zuvor Heusenstamm von den dortigen Herren erworben hat und zu seiner neuen Residenz ausbaut. 1803 kommen Hausen und Obertshausen unter die Souveränität der Fürsten von Isenburg-Birstein, 1816 gehen sie in das Großherzogtum Hessen über.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts fügten sich die beiden Dörfer in das Bild der nahen und weiteren Umgebung ein, sie sind rein landwirtschaftlich orientiert. Doch viele Einwohner vermögen von den spärlichen Erträgen ihr tägliches Brot nicht mehr zu erwirtschaften. So wandern immer mehr in die städtischen Fabriken ab und nehmen weite Fußmärsche von zehn Kilometern in die Städte Offenbach und Hanau in Kauf.

Ende des 19. Jahrhunderts erschließt die Fertigstellung einer Eisenbahn-Nebenstrecke die Region Offenbach-Dieburg-Reinheim. Dies erleichtert vielen Bewohnern Obertshausens eine Erwerbstätigkeit in der Industrie. Die Landwirtschaft wird nun als Nebenerwerb betrieben.

 

Undatiertes Zinsregister der Abtei Seligenstadt

Undatiertes Zinsregister der Abtei Seligenstadt, dessen Alter auf die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts geschätzt wird. 

Der alte Kern der Besiedlung Obertshausens ist im Bereich „Obergasse/Untergasse/Hintergasse“ (heute: Wilhelmstr./Kirchstr./Karl-Mayer-Str.) zu finden. Durch die Anordnung der kleinen Gassen wird eine solche Struktur auch als „Haufendorf“ bezeichnet. In der Regel gruppiert sich die Besiedlung an oder um die Kirche, deshalb stehen die ältesten Häuser noch heute in diesem Bereich. Der erste gesicherte Kirchenbau zu Obertshausen ist die 1716 errichtete Kirche St. Nikolaus – an der Stelle, an der heute die deutlich größere Herz Jesu Kirche steht. Die Jahreszahl 1716 findet sich auf einem aus der Kirche St. Nikolaus übernommenen Sandstein, der in der Herz Jesu Kirche eingebaut wurde. Recht wahrscheinlich ist aber, dass auch St. Nikolaus schon einen Vorgängerbau hatte, denn es finden sich Quellen eines seit langer Zeit bestehenden Taufsteinrechts in Obertshausen.  Dr. Peter Bruder zitiert in seiner Chronik von 1907 aus dem Fundationsbuch des Jahres 1785 der Pfarrei Heusenstamm: „Diese Filialkirche hat von undenklichen Zeiten einen eigenen Taufstein. Der genaue Zeitpunkt der Aufstellung des Taufsteins ist leider nicht auffindbar.“ Dr. Peter Bruder bemerkt weiter an: „Mir scheint der Turm viel älter als das Kirchengebäude zu sein. Ich schließe dies daraus, dass man an der Ost- und Westseite des Turmes gleicher Erde noch die ehemaligen Eingangstüren zur früheren Kirche bemerkt.“  (Seite 236) Vielleicht wurde dieser Vorgängerbau im 30-jährigen Krieg zerstört und stand dort als Ruine, bis man im Jahr 1716 St. Nikolaus an seine Stelle errichtet und dabei den alten Turm mit in die neue Kirche integrierte. Obertshausen hat zu dieser Zeit etwa 150 Einwohner.

In der unmittelbaren Nachbarschaft zum Kirchgebäude steht bis 1961 das älteste Fachwerkhaus Obertshausens. In dem aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg stammenden Gebäude ist bis in die 1920er Jahre die Gastwirtschaft „Grüner Baum“ untergebracht. Danach geht es in den Besitz der Pfarrei über, und wird bis zum Bau des Pfarrheims für ihre Zwecke genutzt.

Wilhelmstraße und Kirchstraße vor 1961

Die Wilhelmstraße und Kirchstraße gehören zu den ältesten Ecken von Obertshausen

Vor 1800 ist jenseits des „Häuser Weges“ (heute: Bahnhofstraße) weder Hofgut noch Einzelhaus zu finden. Der „Waldweg“ (heute: Waldstraße) gibt das zukünftige Baugelände nach Westen hin frei. In den Jahren darauf entwickelt sich der Ort langsam den Hausener Weg Richtung zukünftigem Bahnhof. Auf der gegenüberliegenden Seite werden die Gebiete zwischen Erzberger-, Friedrich-, Wald-, Max-Planck- und Ludwigstraße bebaut.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts werden die ersten Backsteinbauten errichtet, und es wird Zusehens „unmodern“ in einem Fachwerkhaus zu wohnen. Nach und nach werden die alten Fachwerkhäuser entweder durch Neubauten ersetzt, oder zumindest ihre Fassade verputzt bzw. mit Platten verkleidet.

Viele Fachwerkhäuser in der Kirchstraße erleiden ein ähnliches Schicksal wie der „Grüne Baum“. Nach und nach fallen sie dem Gedanken einer Ortssanierung und Ortsmodernisierung zum Opfer. Als letztes Beispiel ist ein weiteres Fachwerkhaus in der Kirchstraße zu nennen. Es stand viele Jahren leer und wurde so dem endgültigen Verfall preisgegeben. Sein Abriss erfolgte im Jahr 2020.