17. Oktober 2022

H11 YMOS Metallwerke – Aufstieg und Niedergang von Hausens größtem Unternehmen

H11 YMOS Metallwerke – Aufstieg und Niedergang von Hausens größtem Unternehmen

Die YMOS Metallwerke entstehen in einer Zeit, als der heutige Stadtteil Hausen noch ein kleines Dörfchen mit 1500 – 1600 Einwohnern ist. Mut, persönliche Tüchtigkeit und Ausdauer kennzeichnen die Geschichte dieses Betriebs, die zurückreicht in eine Zeit, da es den Menschen im Gebiet Hausen/Obertshausen und dem Rodgau keineswegs gut ging. Die landwirtschaftlichen Erträge werden durch die Erbteilung der Äcker immer karger, viele Einwohner pendelten deshalb in die nahe Stadt Offenbach und wenden sich der Portefeuillerei, dem Lederwarenhandwerk zu.

In diesem Umfeld wird Jakob Wolf am 7. Juni 1899 als Sohn des Landwirtsehepaars Andreas und Anna Maria Wolf aus Hausen geborene. Seine Kindheit und Jugendjahre sind mit der Arbeit auf dem elterlichen Bauernhof ausgefüllt. Das erste selbstverdiente Geld stammt aus der Reparatur von Fahrrädern, dem Austragen von Zeitungen und dem Kassieren von Beiträgen. Da Jakob Wolf bei der Reparatur von Fahrrädern erkennt, dass ihm dies neben dem Geldverdienst auch noch Freude macht, entschließt er sich, den Beruf des Schlossers zu erlernen. Im Mai 1917 legt er die Gesellenprüfung als Maschinenschlosser ab.

Nach seiner Ausbildung erkennt Jakob Wolf die Möglichkeiten für eine eigene Fabrikation, denn der Bedarf des Lederwarenhandwerks an Metallbeschlägen, an Schlössern für Taschen ist recht groß. Bis dahin werden die meisten Metallteile aus Thüringen beschafft. Nachdem Jakob Wolf seine Frau, die Tochter des letzten Müllers der Obermühle August Jäger, im Mai 1925 geheiratet hat, macht er sich am 1. September 1925 selbständig. Seiner Frau bleibt es im ersten Jahr ihrer Ehe vorbehalten, den Lebensunterhalt der jungen Familie durch Bügeln von Hemden zu bestreiten. So kann der Verdienst von Jakob Wolf in der neugegründeten Firma bleiben. Dadurch ist es möglich 1300 Mark zusammenzusparen, und im Jahr 1926 die erste Werkstatt einzurichten. Diese Werkstatt befindet sich in der Obermühle, dem Anwesen seiner Schwiegereltern, in einem kleinen Schuppen. Seine Ehefrau und ein kleiner Mitarbeiterstab bilden die erste „Betriebsgemeinschaft“. Hergestellt werden neben Metallteilen auch Zubehör für Damenhandtaschen: Dosen, Spiegel, Kämme. Als gut ausgebildeter Werkzeugschlosser und Maschinenbauer versteht es der junge Chef, viele Anfangsschwierigkeiten zu überwinden. Bald sind die Wolfschen Bügel und Schlösser in der Lederwarenbranche begehrt, und man kann eine größere Werkstatt in der Steinheimer Straße 11 errichten. Hier wird ein vormals landwirtschaftliches Gebäude zur neuen Werkstatt ausgebaut. Zusammen mit Friedrich Karl Becker aus Offenbach, gründet er 1929 die Firma Jakob Wolf & Co. In idealer Weise ergänzen sich fortan der Metallschlosser Jakob Wolf und der Kaufmann Fritz Becker, und gemeinsam tragen sie nun so zum rasanten Aufstieg ihres Unternehmens bei.

Bereits vor dem zweiten Weltkrieg steigt die Belegschaft von anfänglich 10, auf 270 Mitarbeiter im Jahr 1936 an, die sich zu 2/3 aus weiblichen Arbeitskräften zusammensetzt. Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, da sich die Welt zu dieser Zeit in ihrer bis dato schwerste Wirtschaftskrise befindet. Im Gegensatz dazu wird durch die Ausweitung des Unternehmens in Hausen der Mangel insbesondere an weiblichen Arbeitskräften immer spürbarer. Die beiden Inhaber gründen deshalb im Jahr 1937 in Waldaschaff bei Aschaffenburg einen Zweitbetrieb. Ein Jahr später kann hier der Betrieb mit 80 neuen Mitarbeitern begonnen werden.

Bis zum Jahr 1939 fertigt das Unternehmen Taschenbügel und Schlösser für die lederverarbeitende Industrie. Ein Großteil der Lederwarenfabriken gehört zu dieser Zeit jüdischen Geschäftsleuten. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlassen sie in weiser Voraussicht, zuerst freiwillig – später notgedrungen, Deutschland, um vor allem in England neue Betriebe aufzubauen. Der Kontakt zu den früheren Geschäftspartnern wird von Fritz Becker und Jakob Wolf aber selbst in dieser schweren Zeit bald wieder hergestellt, und der Export nach England dadurch zusehends gesteigert. In den Jahren 1937 und 1938 überflügelt er sogar das Inlandsgeschäft bei weitem. Dies ändert sich schlagartig nach der von den Nationalsozialisten gegen die jüdische Bevölkerung gerichtete Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Als Reaktion darauf kündigen viele Länder, darunter auch England, ihre Handelsverträge mit dem Deutschen Reich. So verliert auch die Jakob Wolf & Co. KG über Nacht ihren Hauptabsatzmarkt. Ein zusätzlicher finanzieller Schaden entsteht dadurch, dass bereits geliefert Ware von den Kunden nicht mehr bezahlt werden kann.

Jakob Wolf und Fritz Becker lassen sich durch diesen Rückschlag nicht lange entmutigen. Durch die neue Fertigungsmethode der „Druckgießerei“ ist man in der Lage, die entstandenen Umsatzausfälle fast vollständig auszugleichen. Bügel mit Verschlussschnapper für Damenhandtaschen werden nun aus Aluminium oder Zink gegossen, und nicht mehr aus Blech hergestellt. Der Phantasie sind durch diese neue Fertigungsmetode nun keine Grenzen mehr gesetzt. Für die Firma Henkel stellt man z.B. einen Aschenbecher in Form eines Sektkühlers in Kleinformat her. Im Sommer 1939 kommt dann der erste Auftrag von Opel. Für den „Olympia“ sollen zukünftig in Hausen zwei Gusszierleisten für den Heckdeckel und das rechte und linke Türschloss mit Griff geliefert werden. Die Kriegserklärung im September 1939 und die daraufhin verfügte Einstellung der Produktion ziviler Fahrzeuge, setzt aber auch diesem Vorhaben ein jähes Ende.

Von der NSDAP wollen Jakob Wolf und Fritz Becker nichts wissen. Sie lehnten es auch ab, in die Partei einzutreten, selbst als man ihnen droht, sie zu den Soldaten einzuziehen. Da die Firma bis ins Jahr 1938 enge Geschäftsbeziehungen zu jüdischen Geschäftsleuten unterhält, werden Jakob Wolf und Fritz Becker mehrfach als „weiße“ Juden beschimpft und dies mit Ölfarbe auch so an ihre Häuser geschrieben. Da ihre Firma im zweiten Weltkrieg aber – wie die meisten Metallfabriken im Deutschen Reich – auf die Fertigung „kriegswichtiger Güter“ umgestellt wird, bleibt ihnen dieses Schicksal erspart. Auch die meisten Mitarbeiter werden anfangs nicht eingezogen, sondern müssen nun für die Rüstungsindustrie arbeiten. Ab 1940 werden dann aber für die Produktion immer mehr Zwangsarbeiter aus Russland, Frankreich und den Niederlanden eingesetzt. Bei diesen „Fremdarbeiter“ handelt es sich in der Regel um Kriegsgefangene, die nun zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie gezwungen werden. Die Zwangsarbeiter sind hauptsächlich in einem Barackenlager auf dem Vereinsgelände des FC Teutonia untergebracht, zu Kriegsende beträgt ihre Anzahl ca. 500 Personen.

In den Kriegsjahren werden hauptsächlich Alu-, Zink- und Messingteile für Nachrichtengeräte und Mienenringe im Druckgussverfahren hergestellt. In der Nacht vom 25. Auf den 26. März 1945 wird die Produktion dann aber schlagartig eingestellt. Zuletzt sollen noch Kreiselrädchen in einer Vierfach-Druckgussform hergestellt werden. Diese Rädchen sollen zu einem Steuergerät gehören, das Raketen automatisch an Flugzeuge oder an Ziele auf der Erde heranleitet. Doch kurz vor dem Start der Produktion ist der Krieg zu Ende, und die neue „Wunderwaffe“ kommt nicht mehr zum Einsatz.

Am 26. März rückte die 71. US-Infanterie-Division in Hausen ein. Zu diesem Zeitpunkt halten sich Jakob Wolf, Fritz Becker und einige Mitarbeiter auf dem Werksgelände auf. Weiterhin sind auch noch fast alle Zwangsarbeiter anwesend, die sich aber wenig später auf den beschwerlichen Weg in ihre Heimatländer aufmachen. Den wenigen verbliebenen Mitarbeiter gelingt es dabei in den Wirren dieser Tage, den Werkzeugbau und die Schlosserei vor Plünderungen zu sichern. Und tatsächlich bringt es die Geschäftsleitung dadurch fertig, bereits am 7. April bei der Militärregierung eine Arbeitserlaubnis zu erwirken. Dies ist um so erstaunlicher, da in der näheren Umgebung noch Kampfhandlungen im Gange sind. Die Kapitulation des Deutschen Reiches erfolgt erst am 8. Mai 1945.

Nur, was können die 10-15 verbliebenen Mitarbeiter denn nun produzieren? Da es in diesen Tagen auch noch keinen Strom gibt, kommt Jakob Wolf auf die kreative Idee, einen Teil der Maschinen in die Obermühle zu bringen, und sie dort mit Wasserkraft anzutreiben. Der erste Artikel, der nach dem Krieg produziert wird, ist ein Riegelverschluss für Hasenställe. Der Bedarf dafür ist gegeben, denn viele betreiben in dieser Zeit zur Selbstversorgung eine eigene Hasenzucht. Weiterhin werden Haushaltsartikel wie Kohlen- und Kehrichtschaufeln und Hängeschlösser produziert. Ab Mai/Juni kommen dann Bestecke, Türgriffe, Kleiderhaken, Waffeleisen und Feuerzeuge mit dazu. Die Gegenstände sind den Mitarbeitern sehr willkommen, sind sie doch ausgezeichnete Kompensationsgegenstände im Tausch gegen lebensnotwendige Lebensmittel. Im Jahr 1947 wird auch bereits eine neue Werkshalle für die Druckgussfertigung gebaut, für die ein alter Bunker abgerissen werden muss.

Nach der Währungsreform im Jahr 1948 wird die Produktion von Haushaltsgegenständen eingestellt, um die 1939 unterbrochene Verbindung mit der Automobilindustrie wieder aufzunehmen. Bereits Ende 1947 beginnt die Produktion von Türschlössern, Druckgussteilen, Zierleisten und -beschlägen. 1954 wird die Produktion von Kühlergittern aufgenommen. Mit der Orientierung in den Bereich der Automobilzuliefererindustrie beweisen die beiden Firmeninhaber für die damalige Zeit enormen Weitblick, denn am Ende der 1940er und in den frühen 1950er Jahren ist bei weitem noch nicht abzusehen, welchen Siegeszug der Individualverkehr in der Bundesrepublik antreten sollte. Bereits 1953 beträgt die Zahl der Mitarbeiter 570, 1957 arbeiten in Hausen 1100 Menschen, 1960 sind es 1680 und im Jahr 1966, in dem das 40-jährige Firmenjubiläum gefeiert wird, sind es in Hausen 2100 und in Waldaschaff 1000 Mitarbeiter.

Ein bedeutsamer Tag für das Hausener Metallwerk ist der 1. Juli 1955. Hier erfolgt die Umfirmierung der Jakob Wolf und Co. KG in die YMOS-Metallwerke Wolf und Becker GmbH. Wobei allerdings bis heute vielen die Bedeutung des Wortes „YMOS“ ein Rätsel aufgibt. Die Erklärung dazu lautet wie folgt: Der Firmenleitung gefiel damals der auch im Amerikanischen sehr gebräuchliche Werbeslogan „You must observe security“ (Sie müssen die Sicherheit beachten) sehr gut. Dieses oberste Gebot in den Werkshallen gab den Anlass, die Anfangsbuchstaben des amerikanischen Spruches zu „YMOS“ zusammenzuziehen. Der Spruch war aber auch zugleich ein Hinweis auf die Produktion von Sicherheitsschlössern.

Aufgrund seiner Verdienste um die Allgemeinheit, die sich Jakob Wolf mit seiner Initiative in den YMOS-Werken – Gründung einer Ausbildungsförderungsstiftung, eines Werkskindergartens, Bau von Gastarbeiterwohnheimen, zusätzliche innerbetriebliche Altersversorgung und dem Bau von werkseigenen Wohnungen – erworben hat, wird er 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz sowie 1966 mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Hausen geehrt. Wolfs Partner Friedrich Karl Becker erlebte diese Ehrungen leider nicht mehr, er ist bereits im Mai 1960 an einem Herzschlag verstorben.

Die Übergabe an die zweite Generation innerhalb der Familie Wolf und Becker erfolgt deshalb bereits im Jahr 1960 an Thomas Becker und Hans Wolf. Jakob Wolf ist noch bis 1964, dem Erreichen seines 65. Lebensjahres, als Geschäftsführer tätig.

1961 werden die ersten Gastarbeiter aus Spanien angeworben. Zu ihrer Unterbringung baut die Firma YMOS in der Feldstraße eigene Wohnheime und Jakob Wolf sorgt mit der Ausbildungsförderungsstiftung dafür, dass die Kinder Deutschunterricht erhalten. 10 Jahre später leben dort in 6 Wohnheimen über 500 Gastarbeiter aus Spanien, Jugoslawien, Griechenland, der Türkei und Italien. Es gibt Wohnungen für Alleinstehende aber auch für Familien. So leben im Jahr 1971 93 Kinder in den Wohnheimen, die im werkseigenen Kindergarten betreut werden. Die Miete ist sehr erschwinglich und beträgt in jenen Jahren 2,90 DM pro Quadratmeter. Dadurch können 57% der Gesamtaufwendungen gedeckt werden, 43% schießt das Unternehmen hinzu. Es entstehen aber in Hausen auch viele weitere Werkswohnungen in der Maingau- und der Tulpenstraße, Nähe Waldpark, in der Adenauerstraße, später auch in der Birkenwaldstraße, in denen Gastarbeiter und deutsche Mitarbeiter zu günstigen Bedingungen wohnen können.

Da die Nachfrage nach Arbeitskräften sehr hoch ist, werden viele weitere Mitarbeiter über einen eigenen Werksverkehr mit insgesamt 16 Linien zur Arbeit gebracht. Zum Schichtwechsel gegen 17 Uhr bildet sich so an jedem Tag ein langer Stau entlang der Mühl- und Kurt-Schumacher-Straße, denn einen Industriezubringer gibt es noch nicht. In den 1950er Jahren kommen viele Mitarbeiter aus Hausener und der näheren Umgebung noch mit dem Fahrrad zur Arbeit. Später ist aber auch hier das eigene Auto das bevorzugte Fortbewegungsmittel. So entsteht ab Mitte der 1960er Jahren zwischen der Feldstraße und dem Sportgelände des TV Hausen ein recht stattlicher Großparkplatz

Während des Empfangs zum Anlass des 40-jährigen Jubiläums der YMOS, bei der Jakob Wolf auch zum Ehrenbürger der Gemeinde Hausen ernannt wird, erzählt er die folgende Anekdote:

„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, ich danke für die hohe Ehre. Dieses Dokument ist ein Zeugnis für mein Wohlverhalten überhaupt oder über die letzten 40 Jahre, ganz gleich wie mans nimmt. Wenn ich von Zeugnis spreche, fällt mir etwas ein. Sie haben ziemlich lange ausgeholt, in die Anfangszeit der Firma zurück. Ich will heute mal noch länger ausholen. In meinem letzten Schuljahr, das ist jetzt bereits über 50 Jahre her, war auch mal von einem Zeugnis die Rede. Da hat der damalige Oberlehrer Guthier, der übrigens ein guter Lehrer war, der die Gemeindegeschicke wesentlich beeinflusst hat, mir ein nicht so gutes Zeugnis geben wollen. Aus seinen Schülern gingen eine Anzahl Leute hervor, die viel geleistet haben im Leben. Ich war allerdings nicht sein Musterschüler, besonders im Betragen. Da hat er mir an meinem letzten Schultag gesagt: „Wolf, Du brauchst im Leben einmal ein Zeugnis. Dieses Zeugnis werde ich der Wahrheit gemäß ausstellen. Dann kannst Du sehen wie weit du kommst!“ Ich habe jetzt dieses Zeugnis anlässlich meiner Ehrenbürgerschaft erhalten. Das Abschlusszeugnis von der Schule habe ich aber nie abgeholt, denn das hätte sicher nicht so gut ausgesehen, wie dieses hier.“

Mit dem Boom in der Automobilbranche boomte auch das Unternehmen, nahezu jeder deutsche Autohersteller steht auf der Kundenliste – die Qualität der Zulieferteile „Made in Hausen“ genießt einen hervorragenden Ruf. Nach der Aufnahme von Kunststofferzeugnissen im Jahr 1968, hat die Firma YMOS 1970 knapp 3500 Mitarbeiter. Die Firma expandiert weiter. 1971 kann die Produktion im neuen Werk Idar-Oberstein aufgenommen werden, und 1974 fusioniert YMOS mit CASI, der Karl Sievers KG. Somit hat das Werk in Heiligenhaus bei Düsseldorf Einzug in die Firma YMOS gehalten. Mit dieser Übernahme wird das Produktionsprogramm von YMOS um Verriegelungen für Haushaltsgeräte und Schienenfahrzeuge ergänzt. 1977 setzt YMOS als eine der ersten Firmen die neue Technologie der Pulverbeschichtung, eine Methode der Oberflächenveredlung, ein. Vier Jahre später werden computerunterstützte Fertigungsmethoden eingeführt. Im selben Jahr beginnt YMOS mit der Produktion einer neuen Art von Aluminium-Fensterrahmen, die für die Marke Audi von YMOS mitentwickelt wird.

Bis ins Jahr 1983 ist die YMOS-Metallwerke Wolf & Becker GmbH und Co. ein reines Familienunternehmen. Durch das weitere starke Wachstum des Unternehmens und den damit einher gehenden starken Kapitalbedarf, entschließen sich die Eigentümerfamilien zum Gang an die Börse. Da die Familien Wolf und Becker aber weiterhin Herrn im eigenen Haus bleiben wollen, werden zwei unterschiedliche Aktien ausgegeben, die Stammaktie und die Vorzugsaktie. Die Stammaktien verbleiben im Besitz der Familien, denn mit ihnen hat man in der Aktionärsversammlung ein Stimmrecht. Die Besitzer von Vorzugsaktion hingegen haben kein Stimmrecht und werden dafür mit einer höheren Gewinnausschüttung bedacht. Solang ein Unternehmen gute Gewinne erwirtschaftet, sind alle Aktionäre mit einer solchen Regelung zufrieden. Problematisch wird das Verhältnis allerdings dann, wenn Vorzugsaktionäre merken, dass es mit dem Unternehmen bergab geht, die Stammaktionäre davon aber nichts wissen wollen oder gar versuchen, die Probleme zu vertuschen.

So geschieht dies auch bei der YMOS AG. Anfangs werfen die Vorzugsaktien gute Gewinne ab. Gegen Ende der 1980er Jahre kommt das Unternehmen aber in schwere Turbulenzen und kann nicht einmal mehr die Abschreibungen und die Kapitalkosten voll verdienen. Die Dividenden an die Aktionäre gehen darauf hin stark zurück und der Wert der YMOS-Aktie rauscht in den Keller.

Mit dem Verkauf aller Werkswohnungen an die Mieter beginnt im Jahr 1989 bei der YMOS AG der erste große Ausverkauf. Die erzielten Einnahmen aus diesen Verkäufen reichen aber bei weitem nicht aus, das Unternehmen wieder auf ein solides finanzielles Fundament zu stellen.

Abhilfe erhofft man sich durch den Einstieg eines solventen Großaktionärs. Ein Jahr später veräußern deshalb die Familiengesellschafter ihre Firmenanteile an den belgischen Stahl- und Industriekonzern Cockerill Sambre, der somit als Mehrheitsaktionär bei der YMOS AG einsteigt. Cokerill hält nun 95 Prozent der Aktien, die restlichen 5 Prozent teilen sich rund 7000 Kleinaktionäre. Hans Wolf gibt in dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen seinen Vorstandsposten ab, Thomas Becker verbleibt vorerst auf seiner alten Position. 5150 Mitarbeiter sind im Jahr 1989 bei der YMOS AG in sechs Werken beschäftigt.

Am 30.5.1991 berichtet die Offenbach Post, dass auch Thomas Becker die Führungsspitze verlassen wird. Gründe für das Ausscheiden Beckers, der seit mehr als 30 Jahren Geschäftsführer bzw. Vorstandsvorsitzender von YMOS ist, werden nicht mitgeteilt. 1992 wird Becker von Cockerill Sambre Bilanzfälschung vorgeworfen, wodurch ein Loch von mehr als 100 Millionen Mark entstanden sei. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat das Verfahren gegen Becker allerdings 1995 eingestellt. Mit dem anschließenden Abstieg des Unternehmens habe er nichts zu tun, sagte Becker 1998 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Spätere Managementfehler der Cockerill-Leute sollen dann zum endgültigen Aus der YMOS geführt haben, vermuten Fachleute aus der Branche.

Nach der Übernahme durch Cockerill Sambre wird auch die Stelle des Aufsichtsratsvorsitzenden neu besetzt. Auf Alfred Rottenberg folgt Helmut Albrecht, der im Oktober 1991 Gerhard Kirschner als neuen Vorstandsvorsitzenden beruft. In den 1990er Jahren geht es mit dem Unternehmen aber trotzdem schrittweise weiter bergab. Negative Schlagzeilen macht das Unternehmen wegen Verstößen gegen Umweltauflagen, der Gestank aus der Produktion treibt die Anwohner auf die Barrikaden. So bildet sich eine Bürgerinitiative „Umweltschutz für Obertshausen“ (UfO), die sich besonders diesen Punkt auf ihre Fahnen geschrieben hat. Schließlich stellt sich heraus, dass der üble Geruch aus der neuen Lackieranlage stammt, die 1989 in Betrieb gegangen ist. Weiterhin gibt es in dieser Zeit aber auch eine starke Belastung des Bauerbachs, dessen Sediment stark mit Schwermetallen verunreinig ist. Der Bereich wurde ab 1993 verfüllt und in einen Rad- und Fußweg umgewandelt. Aus dem Jahr 1996 stammt eine Untersuchung der Rodau und des Schwarzbaches, dessen Wasser stark mit Trichlorphenole (TRI) belastet ist. Gesprächsrunden zwischen UfO bzw. betroffenen Anwohnern und YMOS bzw. Vertretern der Stadt gestalten sich sehr schwierig und enden oft in gegenseitigen Vorwürfen. Letztendlich „gelöst“ werden die Umweltprobleme aber erst durch die weiter Entwicklung der YMOS, die wenige Jahre später mit der Zerlegung und dem Verkauf der einzelnen industriellen Produktionsbereiche endet.

Im November 1997 berichtet die Offenbach Post von der „Ungebremsten Talfahrt eines Musterknaben“ als Lehrstück dafür, wie der raue Wind internationaler ökonomischer Entwicklung jahrzehntelange Anstrengungen, Hoffnungen und Träume von Arbeitnehmern und Kommunalpolitikern gnadenlos hinwegfegen kann. Dabei scheint die Talfahrt des einstigen Familienbetriebs, der Ende der 1980er Jahre mit mehr als 190 Millionen Mark in der Kreide steht, mit der Übernahme durch den belgischen Stahlkonzern Cockerill Sambre Anfang der 1990er Jahre zunächst gestoppt. Die Belgier hauchen YMOS in Form von Finanzspritzen neues Leben ein, und nur die vorübergehende Rezession in der Automobilindustrie schient der Sanierung des Unternehmens im Weg zu stehen. „YMOS setzt zum Sprung in die schwarzen Zahlen an“ titelte 1994 die Fachpresse. Doch schon bald zeichnete sich ab, dass YMOS die Kurve zum dauerhaften Geldverdienen noch längst nicht geschafft hatte. Der Vorstand prognostiziert den damals knapp 1600 Beschäftigten in Obertshausen für 1996 erneut das Abrutschen in die Verlustzone. Es beginnt nun die scheibchenweise Zerlegung der YMOS AG.

Der Bereich Kunststoff wird 1997 von der Magna Exteriors System GmbH übernommen. 800 von 1350 übrig gebliebenen YMOS-Mitarbeiter dienen fortan einem neuen Herrn. Unternehmensspitze und Betriebsrat verkaufen den Deal in der Öffentlichkeit als Entscheidung zur Standortsicherung. Aber schon kurze Zeit später wird der Verlust weiterer Jobs bei YMOS bekannt. Offizielle Version: Der Personalabbau war schon länger geplant und hat mit dem Verkauf an Magna nichts zu tun. Im Juli 1998 übernimmt die britische Wagon-Gruppe den Bereich Metallprodukte. Die Frankfurter Rundschau schreibt dazu im Januar 1999, dass die Wagon Industrie Holding ihren neuen Standort in Obertshausen Ende September 1999 wieder aufgeben und ein Teil der verbliebenen 89 Mitarbeiter vom Standort Waldaschaff übernommen wird. Der Bereich „Druckguss“ im Werk Idar-Oberstein wird im gleichen Jahr an dem mittelständigen Unternehmer Jürgen Meyer verkauft. Die Auto-Schließsysteme waren schon Ende 1996 an die französische Valéo-Gruppe gegangen. Somit war der Verkauf der einzelnen industriellen Geschäftsbereiche abgeschlossen. Am Standort Obertshausen verblieb allein die Magna Exteriors System GmbH und fünf Mitarbeiter der YMOS, die sich um die Verwaltung des 70.000 Quadratmeter großen Areals kümmern. Bleibt noch anzumerken, dass auf dem ehemaligen Werksgelände westlich der Feldstraße ab 1997 eine kleine „Einkaufsmeile“ mit den Discountern ALDI, Lidi und DM entsteht.

Ende 1998 kann man in der Presse lesen, dass sich die YMOS AG um einen Käufer der von der Muttergesellschaft Cockerill Sambre zu 95,1% gehaltenen Anteile am Unternehmen bemüht. Der neue Käufer könnte so mit neuen Ideen und neuem Kapital der YMOS AG zu neuem Leben verhelfen. In diesem Sinne äußerte sich Alleinvorstand Klaus Tröster anlässlich einer außerordentlichen Hauptversammlung in Obertshausen. Die außerordentliche Hauptversammlung war notwendig geworden, nachdem ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals angezeigt werden musste. Vertreter der Kleinaktionäre erklärten in der Versammlung deutlich ihren Unmut über den Ausverkauf des Unternehmens. Einfluss auf die weitere Entwicklung der YMOS AG konnten sie mit ihrem Anteil von unter 5% an den Unternehmensanteilen allerdings nicht nehmen.

Mit der Übernahme durch die WCM Beteiligungs- und Grundbesitz-Aktiengesellschaft im April 1999, erfolgt die Neuausrichtung der YMOS AG auf das Geschäftsfeld Immobilienverwaltung und Immobilienbeteiligung. Die YMOS AG als Zulieferer für die Automobilindustrie ist somit endgültig Geschichte. Hauptaufgabe der WCM ist die Vermarktung der verbliebenen 70.000 Quadratmeter Industriebrache des alten industriellen Produktionsgeländes der YMOS AG. Bereits im Januar 1999 berichtet die Offenbach Post, dass es mit dessen Vermarktung mit Sicherheit zu größeren Problemen kommt wird. Denn ein als Verschlusssache gehandeltes Gutachten zeigt auf, dass das Gelände teilweise hochgradig verseucht ist. Weiter wird berichtet, dass es eigentlich seit langem klar ist, dass das weitläufige Areal für die zukünftige Vermarktung alles andere als ein problemloses Filetstück ist. Denn bekannter Weise begann hier in den 1950er Jahren die Produktion von Teilen für die Automobilindustrie. Die Herstellung lief nicht ohne Schadstoffe ab, wobei man diesem Umstand in der damaligen Zeit aufgrund des geringen ausgeprägten Umweltbewusstseins natürlich weniger Beachtung schenkte als heutzutage. Seit Ende der 1980er Jahre laufen denn auch unter Federführung der YMOS Untersuchungen darüber, welche Altlasten in dem Gelände schlummern. Ergebnisse dazu blieben bislang der Öffentlichkeit verschlossen. In dem aktuellen Gutachten kommen die Experten in ihrem mehr als 30seitigen Prüfbericht zu teilweisen brisanten Ergebnissen. Ein Beispiel: Unter der ehemaligen Kläranlage bei Gebäude 18 ergab die Wasserprobe, dass der Gehalt an leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen bei 65436 Mikrogramm pro Liter liegt. Der Schwellenwert, bei dem eine Sanierung empfohlen wird, beträgt 50 Mikrogramm. Weiteres Beispiel. Die Presserei im Gebäude 42, in der einst auch eine Schleiferei untergebracht war. Die Analyse von Bodenproben ergab für das Schwermetalle Zink 152000 Milligramm (mg) und Kupfer 1310 mg pro Kilo. Die Sanierungsschwellenwerte liegen laut Gutachten bei 750 mg pro Kilo bei Zink und 300 mg bei Kupfer. Zwei Beispiele, die selbst Laien eine vage Vorstellung davon geben, was auf einen möglichen Sanierer und Vermarkter des Geländes an Kosten zukommen wird. Die Sanierungskosten werden inoffiziell auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt.

Nach der Insolvenz der WCM AG im November 2006 geht die Aktienmehrheit von 90,33 Prozent im April 2007 auf die Cura Unternehmensgruppe aus Hamburg über. Neuer (und letzter) Vorstandsvorsitzender der YMOS AG wird nun Wilfried Hüge. Da der neue Eigentümer Seniorenwohnanlagen in ganz Deutschland betreibt, kommt von ihm nun die Idee auf, im alten Verwaltungsgebäude ebenfalls eine solche Anlage zu betreiben. Der Stadt Obertshausen hat allerdings überhaupt kein Interesse, dass auf dem YMOS-Gelände ein Pflegeheim gebaut wird. Sie will vielmehr, dass die YMOS endlich das gesamte Areal saniert. Schließlich sei die YMOS für die Verseuchung verantwortlich und obendrein Grundstückseigentümer. Weiterhin widerstrebt der Bau eines Pflegeheimes dem zu dieser Zeit geplanten Stadtumbaukonzepts, wonach das heutige YMOS-Areal künftig als Domizil des TV Hausen dienen könnte. Der Redakteur Karl-Heinz Otterbein schreibt daraufhin in seinem „Notizbuch der Woche“, dass, auch ohne ein Prophet sein zu wollen, sich wohl vorhersagen lässt, dass das YMOS-Gelände noch lange eine Industriebrache bleiben wird. Für eine rasche Änderung dieses Zustands liegen die Interessen des YMOS-Vorstands und der Stadt noch viel zu weit auseinander.

„YMOS zahlt nur noch zehn Prozent“, so titelt die FAZ im September 2007 in ihrem Artikel den Umstand, dass die YMOS AG in einem Schreiben an ihre ehemaligen Mitarbeiter eine drastische Kürzung ihrer Betriebsrentenzahlungen angekündigt. „In Wahrnehmung unserer Rechte aus den Leistungsvorbehalten … setzen wir …ab sofort Ihre Pension/Rente auf zehn Prozent des zuletzt gezahlten Brutto-Betrages herab.“, heißt es in dem Schreiben, das der seit April amtierende Vorstand Wilfried Hüge unterzeichnet hat. Begründet wird die Kürzung mit dem Hinweis, die YMOS Aktiengesellschaft befindet sich „weiterhin in einer existenziellen Krise“. Der einstige Automobilzulieferer, bei dem früher einmal 2500 Menschen in Obertshausen beschäftigt waren, zahlt bis dahin die Betriebsrenten für 1788 Rentner. In der nun folgenden Prozesslawine unterliegen die Vertreter der YMOS AG in der Regel und müssen danach die Betriebsrenten an die betroffenen Personen wieder auszahlen. Am 9. Juni 2009 berichtet „die Welt“ über eine weitere juristische Niederlage des früheren Autozulieferers. Das hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt wies in 71 Fällen die vom Unternehmen eingelegte Berufung zurück. Die YMOS AG versuche allerdings nun in einigen Pilotfällen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zu erzwingen. Weiterhin wird in den Artikel noch berichtet, dass die YMOS AG bis 2008 in ihrer Bilanz einen Fehlbetrag von 82 Millionen EUR vor sich herschiebt.

Am 27. August 2009 ist in der Frankfurter Rundschau zu lesen, dass der frühere Autozulieferer YMOS aus Obertshausen die Aufnahme eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht in Offenbach beantragt hat. Grund für die Insolvenz sei, so YMOS-Vorstand Wilfried Hüge, dass ehemalige Vorstände des Unternehmens ihre Pensionen eingeklagt und 150.000 EUR bei YMOS gepfändet hätten. Matthias Langer, Sprecher der Cura Unternehmensgruppe stellt die Gründe für die Insolvenz allerdings etwas anders dar: Die YMOS habe seit Anfang 2008 mit dem Pensionsversicherungsverein (PSV) über „einen Fortführungsvergleich“ verhandelt. Für Cura habe dabei „eine paritätische Lösung“ im Vordergrund gestanden, bei der sich beide Seiten die finanzielle Last aus den Betriebsrenten teilen sollten. Weil diese Verhandlungen im Juli gescheitert seien, wäre eine Fortsetzung von YMOS nun „nicht mehr möglich“. Laut PSV-Vorstand Hermann Peter Wohlleben gab es die Verhandlungen über eine Beteiligung des PSV im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs. YMOS und Cura hätten dabei jedoch die Bedingungen nicht erfüllt. Der PSV könne nur dann vor einer Insolvenz einspringen, wenn das fragliche Unternehmen sanierungsbedürftig und -fähig sei und die Lasten ausgewogen geteilt würden. Werner Dreibus von der IG Metall in Offenbach ist vom Insolvenzantrag nicht überrascht. „Das ist ein eleganter Weg, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen“ sagte er. „Aus Sicht der ehemaligen Mitarbeiter ist es sogar die beste Lösung, denn nun muss der PSV einspringen. Der zahlt wenigsten zuverlässig.“ Seit Januar 2010 wird für alle betroffenen Mitarbeiter die monatliche Betriebsrente nun durch den Pensionssicherungsverein ausgezahlt.

„Auf YMOS tut sich was“ titelt die Offenbach Post, als der Besitzer des Firmengeländes, die Cura GmbH, im November 2017 ihre neuen Pläne für die nun rund 50300 Quadratmeter große Industriebrache dem Bauausschuss in einer Sondersitzung vorstellt. Seit 2015 beschäftigt sich das Unternehmen, das bundesweit an 75 Standorten Senioren- und Pflegeheime betreibt, mit einer Lösung des Problems. Nach Auswertung vieler Fachgutachten und monatelangen Verhandlungen mit dem Regierungspräsidium in Darmstadt, das für das Land Hessen die Einhaltung der Bodenschutzgesetze überwacht, haben sich die Parteien nun auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geeinigt, der Abriss und Neuentwicklung des Geländes ermöglicht, erläutert der Verfahrensbevollmächtigter der Cura GmbH Dr. Heinz Diedrich den Mitgliedern des Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschusses. Die Kosten für den Abriss und Entsorgung beziffere man auf rund vier Millionen Euro, weitere sechs Millionen Euro sind für die spätere Sanierung der kontaminierten Bodenflächen angesetzt. Diese Summe könnte jedoch noch steigen, sollten weitere Bodenanalysen, die auf dem dann freigelegten Bodenflächen geplant sind, zusätzliche Überraschungen ans Tageslicht bringen. Die geplanten Kosten für das Vorhaben trägt zu 80 Prozent die Cura, die übrigen 20 das Land Hessen. Auf die Stadt Obertshausen, die bereits bei Verhandlungen im Vorfeld signalisiert hat, dass sie sich an den Kosten nicht beteiligen werde, käme in diesem Fall jedoch eine andere Verantwortung zu. Sie müsse für die nötige Planungssicherheit sorgen, dass auf dem dann sanierten Gelände auch Neubebauung entstehen kann. Angedacht seien auf dem Areal unter anderem Gewerbeflächen im Übergangsbereich zum benachbarten Standort von Magna-Decoma. Auch ein Mischgebiet mit Büroflächen und Stellplätzen sowie Flächen mit reiner Wohnbebauung für rund 100 Wohneinheiten soll auf dem Areal geschaffen werden. So wird die Stadt auch ohne eine finanzielle Beteiligung letztlich doch zum berühmten Zünglein an der Waage.

Im März 2018 wird verkündet, dass die nötige Abrissgenehmigung erteilt wurde und mit dem Abriss nun im Sommer begonnen werden kann. So beschließt die Stadtverordnetenversammlung in ihrer Sitzung am 30. Mai 2018 einen entsprechenden Bebauungsplan des Areals zwischen Feldstraße und Rodau, nur die Bürger für Obertshausen votierten dagegen. Sie hätten sich eine engere Einbindung der Bürger gewünscht. Eine Quote von 30 Prozent für bezahlbaren Wohnraum und ein Konzept für die nötige Infrastruktur (Lärm- und Verkehrsgutachten, Anbindung an den ÖPNV, Kita- und Schulsituation) würde fehlen. Im November 2018 berichtet Heinz Diedrich auf einer Bürgerversammlung, dass der derzeitige größte Knackpunkt die Finanzierung sei. Der entscheidende Staatsvertrag mit dem Regierungspräsidium sei nämlich immer noch nicht unterschrieben. „Da es sich um eine Altlastensanierung handelt, müssen die finanziellen Mittel zur Bodendekontaminierung vom Land Hessen gestellt werden.“ Danach ist wieder lange nichts zu hören. Im Herbst 2019 kommt Verfahrensbevollmächtigte Dr. Heinz Diedrich mit dem überraschenden Vorschlag das alte Verwaltungsgebäude der YMOS zum Rathaus umzubauen. Hierbei handelt es sich sicher um einen weiteren Versuch, auch die Stadt Obertshausen bei der Finanzierung mit ins Boot zu bekommen. Nach einer Vergleichsstudie über verschiedene Standorte durch die Beratungsagentur Drees & Sommer, entscheiden sich die Stadtverordneten dann aber für den Standort Schubertstraße. Somit ist spätestens 2021 auch dieser Vorschlag wieder vom Tisch.

Und damit schließt sich er Kreis erneut. Letztendlich ist anscheinend weder der Investor Cura noch das Land Hessen bereit, bei der Bodensanierung ins finanzielle Risiko zu gehen. Denn das würde wohl erst nach dem Abriss der Industriebrache voll umfänglich zum Vorschein kommen. Was bleibt sind 50.300 Quadratmeter Industriebrache mitten in Hausen, deren Zukunft weiterhin ungewiss ist.

Was auch noch bleibt ist der Dank an den letzten Mitarbeiter der YMOS, Herrn Gerhard Klein, der uns bei zwei Besuchen der Industriebrache umfangreiches Material aus der Firmengeschichte zur Verfügung gestellt hat, die den vorliegenden Artikel über den Aufstieg und Niedergang der Firma YMOS – Wolf & Becker in dieser Ausführlichkeit erst ermögliche.