16. Oktober 2022

H09 Hausen, alter Ortskern

H09 Hausen, Die Anfänge und der alte Ortskern

Über die Anfänge Hausens, d. h. über die ersten Jahrhunderte seines Bestehens haben wir keinerlei Nachricht. Von der Ortsnamenkunde her wissen wir lediglich, dass die Hausen-Orte in fränkischer Zeit zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert entstanden sind. Um das Dunkel längst vergangener Zeiten zu erhellen, sucht der Forscher nach Urkunden, d. h. nach verbrieften Rechtsakten über Ernennungen, Übertragungen, Schenkungen oder Privilegien. Rechtliche Beweiskraft erhalten diese erst, wenn sie durch bestimmte Formen, wie Angabe des Ausstellungsortes, Datierung und Siegel, beglaubigt sind.

Die bisher älteste für unsere Heimat bedeutsame Urkunde ist am 6. Oktober 1069 in Frankfurt am Main ausgestellt worden. Sie ist in lateinischer Sprache abgefasst und trägt das Siegel Heinrichs IV., der in der Geschichte durch seine Kämpfe gegen Papst Gregor VII. und durch seinen Gang nach Canossa bekannt geworden ist. Der Inhalt der Urkunde besagt, dass der damals neunzehn Jahre alte König (später deutscher Kaiser) dem Kloster Sankt Jakob in Mainz „Neubruchland im Forst Dreieich bei dem Dorf Hausen im Maingau in der Grafschaft Gerhards“ schenkt. Das Original dieser alten Königsurkunde wird im Hessischen Staatsarchiv Marburg aufbewahrt. Unser Hausen wird darin als villa Hyson bezeichnet. Eine Abschrift davon befindet sich in einem handgeschriebenen Codex des Klosters Jakobsberg aus dem 17. Jahrhundert. Außerdem ist unsere älteste Urkunde unter der Nummer 325 in das Mainzer Urkundenbuch (S. 215/216) übernommen worden.

 

Erste urkundliche Erwähnung Hausens,

Urkunde von 1069

Abschrift der Urkunde im Mainzer Urkundenbuch

aus dem 17. Jahrhundert

Der Heimatforscher und ehemalige Rektor der Waldschule Josef Seuffert vermutet, dass die Hausen-Orte häufig in der Nähe eines frühmittelalterlichen Adelssitzes angesiedelt wurden. Dies nährt die These, dass in unserer Gemarkung früher auch ein Adelssitz war, dessen Anfänge bis in die Römerzeit zurückreichen könnten. Der Name eines Hausener Gewanns (Flurstück) „Der Alte Hof“ dürfte darauf hinweisen, wo einst die erste Besiedelung Hausens – ein römisches Landhaus (villa Hyson) mit einem Hofwerk entstanden ist.

Nach dem Abzug der Römer wird die Siedlung wahrscheinlich von einer germanischen Adelsfamilie übernommen und entwickelte sich in den nachfolgenden Jahrhunderten zu einem bedeutenden Geschlecht.

Josef Seuffert berichtet weiter:

„Vor einigen Jahren wurden in unserer Gemarkung Bohrungen größeren Ausmaßes durchgeführt, um die Bodenschichten eingehend – wahrscheinlich auf ihre wirtschaftliche Nutzung – zu untersuchen. Ich habe mir damals ein kleines Bohrgerät bei der mit den Bohrungen beauftragten Firma ausgeliehen und habe mit Jungen meiner damaligen Oberklasse in dem Gewann „Der Alte Hof“ eine Reihe von kleinen Bodenbohrungen durchgeführt. Das Ergebnis dieser Arbeit bestärkte die Vermutung einer früheren Besiedlung. Auf einem bestimmten Gebiet fanden wir in einer Tiefe von etwa 80 cm fast regelmäßig eine Bodenschicht, die wir bei Bohrungen außerhalb dieses Gebietes nicht fanden. Es war eine 10 bis 20 cm dicke Schicht braunen Lehmes, die mit Holzfasern durchsetzt war. Ich nehme an, dass es sich um Reste von Fachwerkfüllungen ehemaliger Gebäude des Alten Hofes handelt, die hier überdeckt von anderen Schichten im Boden liegen.“

Im Jahre 1937 legten Häftlinge aus dem Rollwald bei Niederroden die Wassergräben und Bachläufe in der Hausener Gemarkung neu an. Dabei wurde auch das Bett der Rodau teilweise reguliert. Im Gebiet des „Alten Hofes“ fand man bei diesen Arbeiten große behauene Holzbalken im Boden. Damit wurde ein weiterer Hinweis für die ehemalige Besiedlung dieses Gebietes geliefert.

In Urkunden aus den Jahren 1287, 1302 und 1322 wird der Hof zu Hausen erwähnt. Er befindet sich im Besitz des Klosters Seligenstadt, gelangt dann – wie einige andere Gemarkungsgebiete (Paradies und Paradieswäldchen) – in den Besitz von Frankfurter Bürgern und wird schließlich vom Erzbischof und Kurfürsten von Mainz erworben.

In den beiden Steinheimer Jurisdiktionalbüchern von 1576 und 1681 wird der Alte Hof unter den herrschaftlichen Wiesen aufgeführt, d. h., er hat vor 1576 aufgehört als bewohntes Hofwerk zu bestehen, er ist wüst geworden. Wahrscheinlich ist das in den Pestjahren 1530 und 1553 geschehen, denn in jenen Jahren wütet diese Seuche in unserer Heimat besonders stark. In jedem Haus sind mindestens zwei Todesopfer zu beklagen.

Der Alte Hof aber wird ganz menschenleer und zerfällt. Nur der Name des Gewanns erinnert noch an die ehemalige kleine Siedlung, die einmal Hintersemen genannt wurde. Der Domherr Stefan Alexander Würdtwein (1719-1796) erwähnt in seinem Diözesanverzeichnis als zur Pfarrei Lämmerspiel gehörig: Hausen, Obertshausen und Hintersemen. Mit diesem letzteren kann er nur die kleine Siedlung im „Alten Hof“ gemeint haben. Auch Kreisbodendenkmalspfleger Karl Nahrgang (1899-1967) spricht in seinem Atlas für Siedlungskunde von der „hochmittelalterlichen Wüstungsflur des ehemaligen Hofes Hindersemen“ und meint damit den „Alten Hof“.

Das mittelhochdeutsche Wort Husen kommt von dem Zeitwort husen. Es bedeutet soviel wie: ein Haus bauen, sich häuslich niederlassen oder wohnen. In seinem hessischen Ortsnamensbuch deutet Wilhelm Müller den Ortsnamen Hausen als „zu den Häusern gehörend, die auf einem Gebiet liegen, das irgendwie – rechtlich – ausgesondert ist“, d. h. eine Sonderstellung einnimmt. Aus der Königsurkunde von 1069 wissen wir, worin diese Sonderstellung besteht. Das Gebiet um unser Hausen ist ursprünglich altes „Reichsgut“. Für die Herrscher des frühen Mittelalters „ist die Verschenkung von Reichsgut das einzige Mittel, sich die Gunst der geistlichen und weltlichen Großen zu sichern“.

Der Name Hausen wird in verhältnismäßig vielen weiteren Urkunden genannt. Dabei können wir verschiedene Abänderungen feststellen, von denen wir die wichtigsten in der nachfolgenden Übersicht aufführen:

1223 – Husen apud castrum Steynheym (Hausen bei dem Schloss Steinheim)

1287 – Husen posterior (Hinterhausen)

1302 – Hinterhusen

1317 – Husen promp Castrum Steinheim (Hausen in der Nähe des Schlosses Steinheim)

1397 – Husen hindir der Sunnen

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts – also über 500 Jahre – ist dann die amtliche Bezeichnung dieses Ortes „Hausen hinter der Sonne“.

Seinen sonderbar anmutenden Ortszusatz erhält Hausen zur Zeit, als es zum eppsteinschen Herrschaftsbereich gehört. Es soll dadurch dem gleichnamigen Hausen am Südrand des Taunus – ebenfalls zu Eppstein gehörend – unterschieden werden. „Vor“ und „hinter der Sonne“ geben die Lage zu den Himmelsrichtungen an. Vom Standpunkt des Namensgebers aus gesehen liegen die Orte im Westen »vor der Sonne« d. h. in Richtung auf das Ende ihres Tagesbogens. Die Orte im Osten »hinter der Sonne«, da, wo die Sonne herzukommen scheint“. Von der Burg Eppstein aus gesehen liegt unser Hausen östlich und bekommt folglich den Namen „Hausen hinter der Sonne“, während das andere, das westlich liegt, die Bezeichnung „Hausen vor der Sonne“ erhält.

 

Hausen hinter der Sonne auf einer Militärkarte von 1800

Landkarte aus dem Jahr 1800

Wechselnde Herren

Das bereits erwähnte System der Schenkungen sowie die unsteten politischen Verhältnisse und Abhängigkeiten sorgten auch in Hausen dafür, dass im Laufe der Zeiten unterschiedliche Herren Zugriff auf das Land und seine Bewohner haben.

Als erstes sind hier die Maingaugrafen zu nennen. Das Frankenreich war in einzelne Gaue unterteilt, denen ein „Grafilo“ quasi als Beamter vorstand und als eine Art Subregierung die Interessen des fränkischen Königs bzw. Kaisers vertrat. Hausen liegt im Maingau, der später in untergeordnete Verwaltungsbereiche aufgeteilt wird. Für unsere Orte ist das der Rodgau. Aus Urkunden namentlich bekannt sind uns die Gaugrafen Rupertus (773), Warinus (800), Drogo (815), Eberhard (975), Gerlach (1013) und der in der ersten urkundlichen Erwähnung Hausens genannte Gerhard (1069).

Quasi deren Rechtsnachfolger werden die Herren von Hausen. Aus diesem Adelsgeschlecht sind vor allem Wigger und Gottfried von Hausen bekannt, deren Namen wir aus Urkunden aus den Jahren 1143, 1144 und 1151 kennen. Vermutlich handelt es sich bei Wigger und Gottfried auch um die Bauherren der Burg im Hain. Den Herren von Hausen folgte das Geschlecht der Familie von Hainhausen (in manchen Quellen auch Hagenhausen). In dieser Zeit wird der Herrschaftssitz von Hausen nach Steinheim verlagerten und so das Amt Steinheim begründet. Ihre Herrschaft dauerte aber auch nicht sehr lange. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, vermutlich um das Jahr 1185, gelangte der gesamte Besitz der Hainhausener in die Hände der Herren von Eppstein. Im Laufe der Herrschaft der Eppsteiner wurde das Hainhausen-Hausener Gebiet immer weiter aufgeteilt und vor allem Frauen aus dem Eppsteiner Geschlecht wurden mit Grundbesitz bedacht. Diese nutzen die Liegenschaften nicht nur zur eigenen Versorgung, sondern vergaben diese als Stiftungen, z.B. an das Kloster Seligenstadt. Im Laufe der Jahre erlangten so auch der Deutsche Ritterorden und ab 1425 das Erzbistum Mainz bedeutenden Grundbesitz und damit Einfluss in unserem Gebiet.

Im 30-jährigen Krieg ziehen Landknechte plündernd und brandschatzend durch die Gegend. 1636 kommt zu allem Unglück auch noch der Ausbruch der Pest hinzu, die unsere Region fast vollständig entvölkert. Am Ende des Krieges hatte Hausen nur noch 7 Einwohner. Die katastrophale Situation erforderte außergewöhnliche Maßnahmen. Um die entvölkerte Region wieder mit Menschen zu füllen, erlässt der Mainzer Kurfürst und Erzbischof einen Aufruf an alle aus ihrer Heimat Geflohenen und forderte sie zur Rückkehr auf. Auch Neusiedler wurden mit der Aussicht auf besondere Vergünstigungen geworben, denjenigen, die sich im Mainzer Gebiet ansiedeln wollten, wurde für zwei Jahre Abgaben- und Frondefreiheit versprochen. Dass trotz wiederholter derartiger Appelle nur wenige Flüchtlinge den Weg in die Heimat zurückfinden, mag daran liegen, dass es einfach kaum Überlebende gab, die den Appellen hätten Folge leisten können. Allerdings erlebt die Region – und hier insbesondere Hausen – in den Jahren nach Ende des Dreißigjährigen Krieges einen großen Zuzug von Wallonen, die aus der Gegend von Lüttich stammten. Möglicherweise erfolgte deren Zuzug auf die Intervention des Abtes des damaligen Seligenstädter Klosters Leonhard Colchon hin, der selbst aus Lüttich stammte.

Zu den wenigen „alten“ Hausener Namen wie Graff, Hoffmann und Winter treten neue Namen, die allerdings heute in Hausen einen vertrauten Klang haben. Es sind dies – neben anderen – Namen wie Bernard – Bernardus, Coummont – Cummo, Komo, Deberte – Döbert, De Wahl – Dewahl, Picard, Pyrot, Heberer, Guldan und Wallon. Viele dieser Einwanderer waren – man denke an die niederländisch-belgische Tuchindustrie – Wollweber, die in unserer Region die Tuchmacherei förderten, andere waren „gewöhnliche“ Handwerker, einige sicher auch einfache Landarbeiter. Reichtümer wurden durch diese Neuankömmlinge offenbar kaum nach Hausen mitgebracht.

Im Jahre 1664 kommt Philipp Erwein von Schönborner, sicherlich mit Rückendeckung seines kurfürst-bischöflichen Bruders, in den Besitz der beiden kurmainzischen Dörfer Hausen und Obertshausen. Philipp Erwein von Schönborn, der 1668 starb, konnte sich aber nur etwa vier Jahre an seiner Neuerwerbung erfreuen. Sein Sohn und Erbe Johann Erwein verkauft im Jahre 1697 seinen leibeigenen Hausener Untertanen „um ihrem besseren Nutzen, Frommen und Auskommen halber“ – so der Text dieser ältesten in Hausen erhaltenen Urkunde – die dortigen Herrn Hecken, die im Gebiet der heutigen Herrnstraße gelegen haben, einschließlich der Holzrechte für 90 Gulden. Es darf bezweifelt werden, dass dieser Verkauf aus den uneigennützigen Motiven heraus geschah, die in der Verkaufsurkunde dargelegt werden. Es ging wohl eher darum, einen herrschaftlichen finanziellen Engpass zu beseitigen und ein möglicherweise nicht so einträgliches Stück Land dafür zu verkaufen.

Urkunde von 1693 über den Verkauf des Flurstücks Herrn-Hecke durch Johann Erwein von Schönborn an Hausener Bürger

Urkunde von 1693 über den Verkauf des Flurstücks Herrn-Hecke durch Johann Erwein von Schönborn an Hausener Bürger

Das erste Wirtshaus Hausens „die Sonne“ wird erstmals 1729 im Zuge des Baus der Hausener Kapelle erwähnt. Sie stand in der Obergasse, der heutigen Kapellenstraße. Schultheiß Adolf Hoffmann, war zugleich auch der „Sonnenwirt“. In der Folgezeit entstehen im alten Ortskern eine Vielzahl von weiteren Wirtshäusern, Bäckereinen und Metzgereien. Aus einem Briefwechsel zwischen dem Hessischen Kreisamt in Offenbach und der Bürgermeisterei Hausen im März 1935 wissen wir, dass es zu diesem Zeitpunkt in Hausen 11 Wirtshäuser gab – bei 1.700 Einwohnern! Anlass des Briefwechsels ist der Antrag einer Konzession für eine weitere, die zwölfte Kneipe, über die man sich sichtlich irritiert zeigt.

Ab dem Jahr 1900 entwickelt sich der Ort langsam über seinen alten Ortskern hinaus. Es entsteht an der Seligenstädter Straße und Friedrich-Ebert-Straße neue Siedlungsgebiete. Als weitere Straßen kommen so die Schulstraße, Karlstraße, Kirchstraße, Kettelerstraße und Freiligrathstraße mit hinzu. Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt sich der Ort äußerst dynamisch und nimmt sehr schnell seine heutige Gestalt an.