H07 Die alte Kapelle
Genauere Unterlagen über die früheren kirchlichen Verhältnisse unserer näheren und weiteren Heimat haben wir erst seit dem 16. Und 17. Jahrhundert. Bekannt ist allerdings, dass im Jahre 1339 Lämmerspiel mit den Filialen Hausen, Obertshausen und Hintersemen – hiermit ist vermutlich der „Alte Hof“ gemeint – von der Mutterkirche Mühlheim getrennt wird und fortan selbständige Pfarrei ist. Auf der ersten Landkarte unserer Region aus dem 16. Jahrhundert sind Lämmerspiel und Obertshausen mit Kirche dargestellt. Hausen ist hier deutlich kleiner und ohne Kirche zu sehen. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass Hausen zu dieser Zeit keine eigene Kirche hat und die Hausener für den Besuch der Messe, die Kirche in Lämmerspiel aufgesucht haben. Auf dem dortigen Friedhof befanden sich auch die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen, denn einen eigenen Friedhof gibt es in Hausen erst seit dem Jahr 1834.
Nach dem 30jährigen Krieg gehen die Besitzverhältnisse der beiden Orte vom Kurfürstentum Mainz an das Haus von Schönborn über, die ihren Herrschaftssitz in Heusenstamm haben. Im Jahr 1726 wird Obertshausen daraufhin auf Antrag des Grafen von Schönborn von der Pfarrei Lämmerspiel getrennt und Heusenstamm zugeordnet. Hausen bleibt dagegen weiterhin im Kirchenverband mit dem kurmainzischen Lämmerspiel. Allerdings ersucht zu Beginn des Jahres 1728 der Ortsvorstand von Hausen (Johann Adolf Hoffmann als Schultheiß und Andreas Gultan, Johann Bieroth und Nikolaus Komo als Gerichtsschöffen) die Gräfin Maria Theresia von Schönborn, sie möge vom Erzbischöflichen Ordinariat in Mainz die Genehmigung zum Bau einer Kirche in Hausen erbitten. Die „Lizens“ wird postwendend erteilt und am 24. Mai 1728 (Pfingstmontag), wird von Pfarrer Johannes Casparus Gräffler, Lämmerspiel, in Anwesenheit der ganzen Gemeinde und zahlreichen Gästen der „Fundament-Stein“ (Grundstein) zur ersten Hausener Kirche am Eingang zur heutigen Herrnstraße gelegt. Anschließend gibt’s im Gasthaus „Zur Sonne“ eine Nachfeier, bei der es laut den Aufzeichnungen hoch hergegangen ist.
Im Hausener Kirchenbuch kann man dazu folgendes lesen: „Als der erste Stein an der Kirch ist gelegt worden, ist auf Geheiß des Amtsmannes Schweighäußer von ihm, Herrn Pfarrer, zwei Kapuziner, von den Handwerkern und der ganzen Gemeinde verzehrt worden 20 Gulden.“ Als die Zimmerleute das Dachwerk aufschlagen „verfrühstücken“ sie 3 Gulden und 24 Kreuzer, und als sie „den Strauß aufstecken“ werden den Kindern für 6 Kreuzer große Nüsse zugeworfen.
Die Kosten für den Kirchbau betragen insgesamt 781 Gulden und 4 Kreuzer. Das Geld wird zum Teil durch Kollekten oder durch kräftige „Geldspritzen hoher Herren“ (116 Gulden), aber auch durch das Verpachten von Ackerland (129 Gulden) aufgebracht. Die Kapelle (sacellum), wie sie urkundlich genannt wird, ist 11,80 Meter lang, 5 Meter breit und 5,2 Meter hoch. Die Kirche der Mutterpfarrei Lämmerspiel ist zu dieser Zeit kaum größer. Lange Zeit ist die Hausener Kapelle aber nur ein Bethaus ohne „Licenz“ zur Messfeier. Die Gläubigen halten darin ihre Andachten, bei denen der ortsansässige Lehrer mit ihnen betet und singt.
Zeitlich eng verbunden mit dem Kirchenbau ist im Jahr 1733 die Gründung der ersten Schule, was die Bildung der Dorfbewohner erheblich verbessert. So wird seit 1758 ein eigenes Kirchenbuch geführt – aus dem oben schon zitiert wurde. Johann Henrich Junior führt dieses Kirchenbuch und hinterläßt dabei eine ganze Reihe von Informationen, die über den kirchlichen Bereich hinausgehen. Er ist von Beruf Damastweber, was darauf hindeutet, dass dieses Gewerbe seinerzeit in Hausen ausgeübt worden sein muss. Zusätzlich bekleidet er als Gerichtsschöffe ein öffentliches Amt, was vermutlich erst die Voraussetzung dazu schafft, dass er eine solche Ehre wie das Führen des Kirchenbuches überhaupt ausüben darf.
Die Kapelle erhält 1732 ihre erste Glocke. 1740 stiftet Gräfin Maria Theresia von Schönborn den alten Altar der Kirche von Heusenstamm. Das Bildnis des heiligen Josef (Kirchenpatron) „hat Herr Adolf Bicart, gebürtig aus Hausen, zeitlicher Schulmeister zu Dietesheim, auf dem Altar machen lassen“. Weitere Stiftungen der Gräfin sind ein Kelch und ein Messgewand, die heute im Werkstattmuseum „Karl-Mayer-Haus“ in Obertshausen ausgestellt sind.
1747 wird vom Mainzer Bistum die Genehmigung zur Messfeier erteilt. In diesem Zusammenhang wird auch wieder Herr „Adolph Bicart“ genannt. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass am 6. April 1748 die erste Messe durch den Lämmerspieler Pfarrer Kempter in der Hausener Kapelle gefeiert werden kann. 1756 wird das Kirchlein durch den Mainzer Weihbischof Nebel geweiht. Dennoch besuchen die Hausener weiterhin den Lämmerspieler Gottesdienst. Erst mit dem Jahr 1800 wird regelmäßig ein feiertäglicher Frühgottesdienst eingeführt. Ab 1842 – vorausgegangen waren Streitigkeiten mit Lämmerspiel – wird ein eigenes Hochamt an Sonn-und Feiertagen durchgesetzt. Gleichzeitig erfolgt eine Lösung des Kirchenverbandes mit Lämmerspiel, man bleibt aber mit der Nachbargemeinde im Pfarrverband und hat deshalb bis 1924 noch keinen eigenen Pfarrer.
Im Jahre 1843 erhält die Hausener Kirche ihre zweite Glocke. 1856 spricht der bekannte Mainzer Bischof und Sozialreformer, Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler bei einem Firmungsbesuch allerdings drastisch den verwahrlosten Zustand der Hausener Kapelle an. „Christus müsse in Hausen hinter der Sonne immer noch in einem Stall wohnen“. Auch die auf diese bischöfliche Kritik zwei Jahre später in Gang gesetzte Renovierung des Gotteshauses scheint nicht von bleibendem Erfolg gewesen zu sein, denn bereits im Jahre 1880 entscheidet man sich eine neue Kirche zu bauen.
Diese Entscheidung ist sicher auch der damals schon stetig wachsenden Bevölkerung geschuldet. 1858 hatte Hausen noch 572 – 1900 aber bereits 1025 Einwohner. Am bisherigen Standort ist allerdings ein Erweiterungsbau kaum möglich, da die alte Kirche mitten auf der Kreuzung steht und deshalb nur einen sehr engen Durchgang zur Herrnstraße zulässt. So entscheidet man sich, die neue St Josefs-Kirche in den Jahren 1897 und 1898 am Ende des Ortes auf damals noch freiem Feld zu bauen. Um das Jahr 1900 wird die alte Kapelle dann bereits abgebrochen.